Bei keinem anderen Säugetier unterscheidet sich die Dauer der Schwangerschaft so stark wie beim Menschen - und das auch, wenn man Frühgeburten herausrechnet. Das zeigt eine kleine Studie von US-Medizinern.
Sie ermittelten die Schwangerschaftsdauer von 102 Frauen erstmals ganz genau. Zwischen dem Tag der Befruchtung und der Geburt lagen im Schnitt 38 Wochen und 2 Tage, also 268 statt 280 Tage - mit einer Bandbreite von bis zu 37 Tagen.
Der errechnete Geburtstermin ist ein Termin unter Vorbehalt, weil viele Faktoren normalerweise schwer bestimmbar sind. Darauf weisen Frauenärzte ihre Patientinnen auch hin. Die Wissenschaftler zeigten jedoch: Selbst wenn man den Befruchtungszeitpunkt exakt ermittelt, umfasst der Zeitraum, in dem reife Babys völlig normal zur Welt kommen, ganze fünf Wochen.
Hormonspiegel als Indikator
Marie Jukic von den US-amerikanischen National Institutes of Health in Durham und ihre Kollegen analysierten Daten von 221 Teilnehmerinnen aus einer Studie, die in den 80er-Jahren im US-Bundesstaat North Carolina durchgeführt worden war. Alle Frauen hatten einen Kinderwunsch und liessen sich vom Absetzen der Verhütung ein halbes Jahr lang oder im Falle einer Schwangerschaft bis in die achte Schwangerschaftswoche begleiten. Sie gaben täglich eine Probe ihres Morgenurins ab, aus dem der Östrogen-, Progesteron- und Choriongonadotropinspiegel ermittelt wurde. Veränderten sich die Werte, konnten die Forscher bestimmen, wann der Eisprung stattgefunden hatte und wann sich eine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter eingenistet hatte.
Im Jahr 2010 folgten Befragungen der Teilnehmerinnen. Für 102 der völlig normal und komplikationslos verlaufenen Schwangerschaften lagen am Ende genaue Daten vor.
Ältere Frauen sind länger schwanger
Insgesamt dauerte eine Schwangerschaft bei älteren Frauen und solchen, die selbst schwere Neugeborene waren, länger. Pro Altersjahr käme demnach ein Schwangerschaftstag hinzu. Auch für jede einzelne Frau gäbe es eine individuelle Tendenz: Manche Frauen tragen alle ihre Kinder etwas länger aus als andere. Einen Grundstein für die Dauer einer Schwangerschaft werde zudem bereits bei der Befruchtung gelegt: Je länger es vom Eisprung bis zur Einnistung und dann bis zum Einsetzen der Progesteronbildung durch den Gelbkörper dauert, umso später ist die Geburt - um durchschnittlich zwölf Tage.
«Es ist schon länger bekannt, dass die Schwangerschaftsdauer stark variiert. Allerdings nahmen wir immer an, dass das an Ungenauigkeiten der Berechnungsmethoden lag. Unsere Messmethoden schließen diese Fehlerquellen aus», schreibt Jukic im Fachblatt «Human Reproduction».
Für Ärzte könnten die Ergebnisse einen neuen Anhaltspunkt für die Entscheidung liefern, eine Geburt hinauszuzögern oder einzuleiten.