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Feinstaub: Wann wird es gefährlich?
Aus Wissenschaftsmagazin vom 21.11.2020. Bild: imago images / imagebroker
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Gefahr aus der Luft Menschengemachter Feinstaub ist besonders schädlich

Nicht alle winzigen Partikel in der Luft sind gleich schlecht für unsere Gesundheit. Das zeigt eine neue Studie.

Luftverschmutzung tötet. Ganz klar zeigte das «The Great Smog» in London im Jahr 1952. Damals versank London vier Tage lang in dichtem Smog. Innert weniger Wochen starben mehrere tausend Menschen, zehntausende wurden krank.

Schuld war Feinstaub, der durch das Heizen mit Kohle entstand. Die Politik reagierte und erliess Gesetze, um die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen.

Auch in der Schweiz hat sich in puncto Luftverschmutzung viel getan. Dank Partikelfilter für Autos und klarer Grenzwerte für die Industrie sank die Menge an Feinstaub seit den 1980er-Jahren kontinuierlich.

Weniger Feinstaub heisst allerdings nicht zwingend, dass er auch die Gesundheit weniger belastet. Denn neue Studien zeigen: Nicht alle Arten von Feinstaub sind gleich schädlich.

Auf die Feinstaub-Mischung kommt es an

Der Atmosphärenchemiker Kaspar Dällenbach vom Paul Scherrer Institut (PSI) hat in einer gross angelegten Studie die Zusammensetzung des Feinstaubs in der Schweiz analysiert. Er zeigt: Je nachdem, wo man wohnt, ist man nicht nur mehr oder weniger Feinstaub, sondern auch einer anderen Feinstaub-Mischung ausgesetzt.

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Feinstaub - auf Umwegen in der Luft gebildet
27:04 min Bild: SRF
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Einerseits gibt es natürlichen Feinstaub. Dieser besteht aus Staub und Sand von trockenen Böden, Pollenbruchstücken oder sogar Ausdünstungen von Bäumen.

Andererseits ist Feinstaub menschengemacht: Ammoniak-Verbindungen aus der Landwirtschaft, Autoabgase und Bremsabrieb – also Staub, der entsteht, wenn ein Zug oder ein Auto abbremst. Auch beim Heizen mit Holz oder beim Verbrennen von Laub oder Ästen im Garten entsteht Feinstaub.

Wann Feinstaub gefährlich wird

Um abzuschätzen, wie gesundheitsschädlich Feinstaub ist, untersuchten die Forschenden am PSI, wie aggressiv er die Schutzmechanismen unserer Zellen angreift. Diese Aggressivität des Feinstaubs nennt man auch das oxidative Potenzial.

Die Theorie: Je höher das oxidative Potenzial des Feinstaubs, desto mehr irritiert er die Zellen in unseren Lungen. Das führt zu Entzündungen, zu Herz-Kreislauferkrankungen oder im Extremfall sogar zu Lungenkrebs.

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Menschgemachter Feinstaub ist besonders gefährlich
aus Espresso vom 02.12.2020. Bild: imago images
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Kaspar Dällenbach verwendete zur Analyse des oxidativen Potenzials einfache chemische Tests. Eine Partnerstudie an der Universität Bern analysierte dann die Wirkungen des Feinstaubs genauer, indem sie menschliche Lungenzellen dem Feinstaub aussetzten, und beobachteten, wie die Zellen reagieren.

Es zeigte sich: Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub. Sandteilchen oder Ammoniakverbindungen mögen vielleicht die grösste Masse des Feinstaubs ausmachen. Das grösste oxidative Potenzial geht aber von einem relativ kleinen Teil des Feinstaubs aus. Nämlich dem menschengemachte Feinstaub aus der Holzverbrennung und dem Verkehr.

Lehren für die Zukunft

Zwar ist noch nicht endgültig bewiesen, dass das oxidative Potenzial von Feinstaub die gesundheitsschädliche Wirkung des Feinstaubs ausmacht. Doch man kann sich fragen, ob wir in Zukunft nicht nur die Menge des Feinstaubs überwachen sollten, sondern auch seine Zusammensetzung.

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Aus dem Archiv: Feinstaub daheim
Aus Puls vom 07.12.2015.
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Der Feinstaubforscher Nino Künzli ist Professor für Lufthygiene am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut in Basel. An der Studie von Kaspar Dällenbach war er nicht beteiligt. Er sagt: Die Hinweise seien da, dass das oxidative Potenzial helfen könnte, die Gefährlichkeit des Feinstaubs zu bewerten.

Aber das oxidative Potenzial solle nicht das einzige Kriterium für saubere Luft sein. Denn wahrscheinlich wirke sich Feinstaub über eine Vielzahl verschiedener Mechanismen auf unsere Gesundheit aus. Es sei also weiterhin nützlich, auch die Menge an Feinstaub zu überwachen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 21.11.2020, 7:06 Uhr

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