«Ich habe lieber weniger Patienten, kann dafür aber mit Bewegung etwas Gutes auslösen», fasst der Zürcher Hausarzt Jürg Niesper seine Philosophie zusammen. Er ist nicht nur Arzt, sondern auch Bewegungscoach und das schon seit Jahren. Beim Bundesamt für Sport in Magglingen entwickelte er einst Bewegungsprogramme, heute sollen Aktivitäten helfen, Krankheiten seiner Patienten besser unter Kontrolle zu haben.
In seiner Praxis in Egg geht er mit dem 73-jährigen Peter Müller dessen wöchentliches Bewegungsprogramm durch. Peter Müller ist Typ-2-Diabetiker und wie er selber sagt «ein Bewegungsmuffel».
Ihn dazu zu bewegen, täglich 10‘000 Schritte zu tun, brauchte einiges. «Ohne den ständigen Druck meines Hausarztes Jürg Niesper hätte ich es nie geschafft», gesteht Müller. «Aber seit ich angefangen habe mit Walking und Rebounding, also Training auf dem Mini-Trampolin, kann ich es mir nicht mehr anders vorstellen.»
Weniger Medikamente dank Bewegung
Peter Müller hat dank der täglichen Bewegung seine Insulinmenge, die er spritzen muss, bereits um ein Viertel gesenkt. Das Ziel wäre eine noch höhere Reduktion.
Studien haben längst nachgewiesen, dass Bewegung auch bei vielen anderen Krankheiten hilft, etwa bei Bluthochdruck oder Osteoporose, um nur einige zu nennen. Dazu kommen gemäss Hausarzt Niesper weitere Gewinne: «Leute, die sich genug bewegen, sind auch sonst gesünder. Sie rauchen weniger, sind psychisch aufgestellter, sind sozialer, engagieren sich mehr.»
Das Potenzial zur Nutzung von «Bewegung» als Therapie-Möglichkeit bei der Behandlung von Krankheiten ist gemäss Niesper noch lange nicht ausgeschöpft. Er ist Teil des Hausarzt-Netzwerks «Paprica», das sich zum Ziel gesetzt hat, Bewegungsförderung stärker in den Arztpraxen zu etablieren. «Dass Bewegung gesund ist, wissen alle, aber man könnte die Botschaft noch mit mehr Inbrunst an die Patienten bringen.» Bewegungsberatung braucht Zeit, mehr Zeit, als die Verschreibung eines Medikaments.
Mit seinen Patienten setzt Jürg Niesper die Bewegungsempfehlungen des Bundesamtes für Sport (BASPO) in reale Alltagshandlungen um: Mindestens 2,5 Stunden Bewegung pro Woche in Form von Alltagsaktivitäten oder Sport mit mindestens mittlerer Intensität, aufteilbar in Blöcke à mindestens zehn Minuten. Wichtig sei, herauszufinden, was Freude macht, und Bewegung in den Alltag zu integrieren – und: «Man muss den Leuten zeigen, wie sie sich einfach mehr bewegen können: eine Tramstation zu Fuss gehen, sich die Zeit nehmen, zu Fuss an den Bahnhof zu laufen. Und das alles zügig, nur so hat man einen gesundheitlichen Benefit.»