Stottern kommt in allen Kulturen und Sprachen vor. Prominentes Beispiel: Der britische König Georg VI., dessen Therapeut im Film «The King’s Speech» zu neuen Ehren kam. Alte Schriftstücke belegen, dass es aber schon vor 4000 Jahren stotternde Menschen gab.
Die Situation, mal ein Wort nicht zu finden oder an einem Wort hängen zu bleiben, kennen wir alle. Rund ein Prozent der Erwachsenen stottert aber chronisch – in der Schweiz also gegen 80'000 Personen.
Beim Stottern wird der Redefluss beim Sprechen in Form von Blockaden, Wiederholungen von Wortteilen oder Dehnungen gestört. Stottern ist häufig mit übermässiger Anstrengung beim Sprechen verbunden. Diese Verkrampfung äussert sich körperlich mit Zuckungen von Kopf, Armen oder Oberkörper.
Ein Stotternder weiss sehr wohl, was er sagen möchte, er ist aber oft nicht in der Lage, dies störungsfrei zu tun. Die Kontrolle über den eigenen Sprechapparat geht in diesem Moment verloren. Keine zwei Menschen stottern auf dieselbe Art und Weise. Wie schwer jemand stottert, ist meistens abhängig von den Wörtern, der Situation ganz allgemein, der Gefühlslage oder auch der körperlichen Verfassung.
Meist verschwindet es von allein
Das Stottern beginnt meistens ohne offensichtlichen Anlass im Alter zwischen zwei und fünf Jahren. Zuvor hat das Kind meist eine Zeitlang flüssig gesprochen. Fünf Prozent aller Kinder entwickeln in dieser Zeit ein sogenanntes Entwicklungsstottern.
Das ist kein Grund zur Besorgnis: Vier von diesen fünf Kindern verlieren das Stottern bis zur Pubertät wieder und sprechen flüssig. Und zwar ohne dass ärztliche Hilfe nötig wird. Bei Mädchen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Redeflussstörung wieder verliert, übrigens um einiges grösser.
Chronifizierung vermeiden
Bei Unsicherheiten ist eine logopädische Abklärung bei einer Fachperson sicher sinnvoll. Je eher ein Stottern, das chronisch werden könnte, behandelt wird, desto grösser ist die Chance, dass die Stockungen und Blockaden wieder weg gehen.
Heute werden auch die Eltern intensiv in eine logopädische Therapie einbezogen. Mit Hilfe von spielerischen Übungen soll das Kind vor allem wieder Freude am Sprechen bekommen und dabei positive Erlebnisse haben.
Auch die Familiensituation wird analysiert, da Stottern oft auch durch familiäre Faktoren beeinflusst wird. Die Geburt eines zweiten Kindes zum Beispiel kann, muss aber nicht, ein auslösender Faktor sein.
Hat sich das Stottern erst einmal chronifiziert, wird es den Stotternden ein Leben lang begleiten. Allein die Angst vor dem Stottern zu verlieren, kann aber einen sehr positiven Einfluss auf den Redefluss haben. In verschiedenen Kursen und Seminaren (unter anderem bei der Vereinigung für Stotternde und Angehörige) werden oft auch Atem-, Sprech- und Entspannungstechniken geübt. Es überrascht nicht, dass Stotternde im privaten, vertrauten Umfeld zu Hause und bei der Familie besser sprechen als in einer unpersönlichen, hektischen Umgebung mit Fremden.
Woher kommt das Stottern?
- Kommunikationsstörungen im Kindes- und Jugendalter Kommunikationsstörungen im Kindes- und Jugendalter
- Vereinigung für Stotternde und Angehörige VERSTA Vereinigung für Stotternde und Angehörige VERSTA
- Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopäden-Verband Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopäden-Verband
- Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe
Die Ursachen des Stotterns sind bisher noch nicht ausreichend erforscht. Erklärungen wie «Kinder denken schneller als sie sprechen» oder «Kinder haben einen stotternden Menschen nachgeahmt» oder «Kinder sind eben nervös und wollen mit Stottern die Aufmerksamkeit auf sich ziehen» treffen gemäss Logopäden nicht zu.
Wissenschaftler vermuten, dass der gestörte Redefluss auf Funktionsstörungen im Gehirn zurückgeht. So fand man hirnanatomische Abweichungen bei Stotterern im Vergleich zu nicht stotternden Personen. Offenbar werden bei rechtshändigen Stotterern beim Sprechen andere Hirnregionen aktiviert als bei Normalsprechern.
Während Nicht-Stotterer beim Sprechen Gebiete in der linken Hirnhälfte aktivieren, sind es bei Stotterern Regionen in der rechten Hirnhälfte. Es bleibt aber die bekannte Frage nach dem Ei und dem Huhn: Was war zuerst? Ist die veränderte Hirnaktivität Ursache oder Folge des Stotterns?
Veranlagung plus viele Faktoren
Stotternde Menschen haben vermutlich eine Veranlagung zum Stottern. Stottern entsteht in einer Zeit, in der sich das Kind körperlich, geistig, emotional und sprachlich schnell entwickelt. Wieso und auf welche Weise es dabei bei einigen Kindern zum Auftreten von Stottern kommt, ist bis heute unbekannt. Viele Einflüsse aus dem körperlichen, dem psychischen, dem sprachlichen und dem sozialen Bereich können bei der Entstehung eine Rolle spielen.
In der weiteren Entwicklung des Stotterns wächst die Anstrengung beim Sprechen und das Kind versucht, Stottern zu vermeiden. Es können negative Gefühle und Einstellungen gegenüber dem Sprechen entstehen. Teufelskreise aus Angst und Vermeidung sowie aus Anstrengung und Frustration erhalten dann das Stottern aufrecht oder verstärken es noch. Das Stottern automatisiert sich zunehmend und kann – je länger es andauert – desto schwieriger verändert werden.
Tipps für den Umgang mit Stotterern
- Lassen Sie den Stotterer ausreden, unterbrechen Sie ihn nicht und sprechen Sie ihm keine Worte oder Sätze vor. Diese gut gemeinte Hilfe kann einen Stotterer in seinem Stolz verletzen.
- Schauen Sie nicht weg. Im Gegenteil – schauen Sie dem Stotterer in die Augen und lassen Sie ihn spüren, dass Sie ihm zuhören. Ein freundliches Gesicht hilft dem Stotterer auf seinem Weg hin zu einem kontinuierlichen Redefluss.