Irgendwie haben wir ein Dopamin-Problem. Der Botenstoff, der in unserem Gehirn Nachrichten verbreitet, muss für vieles herhalten, seit er in die Lifestyle-Szene diffundiert ist. Das Hormon ist ein Opfer schnöder Simplifizierung geworden.
Für die einen ist es eins der «Four Happy Hormones». Zusammen mit Serotonin, Oxytocin und den Endorphinen. Diese drei hat das Schicksal der populärwissenschaftlichen Vereinfachung bereits vor Jahren ereilt. Für die anderen ist Dopamin ein süsser Saft, der uns verführt. Eine Droge, die uns süchtig macht und von der wir immer mehr wollen.
Dopamin-Detox made in Silicon Valley
So steht’s in Büchern, Artikeln und Posts. Unser Drang nach dem schnellen Dopamin-Kick sei der Grund, weshalb wir uns nach Süssigkeiten verzehren, zu lange auf Instagram abhängen und uns Koks reinziehen.
Die Idee stammt aus dem Silicon Valley und ist ansteckend. Mit #dopamine getaggte Videos auf Tiktok gehen mit über 700 Millionen Views viral.
Die Frage: «Wie gewinnst du die Kontrolle über dein Leben zurück?» Die Antwort: Lange Listen für «Dinge, die das Dopamin ruhigstellen». Detoxer sind überzeugt, dass Reizüberflutung zu einer Gewöhnung führt. Dass unser Gehirn deswegen immer höhere Dosen braucht. Weil Dopamin an denselben Rezeptoren andockt wie Kokain, Amphetamine oder THC.
Darum sei Entzug angesagt: Kein Handy, kein Kuchen, kein Social Media, keine sozialen Kontakte, nicht masturbieren oder gamen. Verzicht auf so ziemlich alles, was Spass macht.
Keine wissenschaftliche Evidenz
Ein grosses Missverständnis. Falsch verstandene Wissenschaft. Eine fehlgeleitete Modewelle. Das sagen Forscherinnen und Forscher zum Hype ums Dopamin-Fasten. Und viele können vermutlich aus eigener Erfahrung bestätigen, dass Schokokekse weniger heftig einfahren als Drogen.
Dopamin ist zwar an der Entstehung von Sucht beteiligt. Es fliesst in unserem Gehirn, im menschlichen Belohnungssystem. Es lehrt uns zu wiederholen, was überraschend gut war – aber auch zu lassen, was unerwartet enttäuscht hat.
Bekannt ist Dopamin vor allem dafür, dass es uns «wollen macht». Aber es ist keine Droge, die man wegfasten könnte. Denn ein Ziel zu verfolgen, auf eine Belohnung zu hoffen, ist nicht per se ein Problem. Es kommt auf den Kontext an.
Dopamin motiviert Lebewesen – vom Menschen, über die Biene bis zum Tiger – zu tun, was sie und ihre Art am Leben hält. Sex zum Beispiel. Oder essen. Partner- und Nahrungssuche. Mäuse, die kein Dopamin produzieren, verhungern, selbst wenn das Fressen vor ihnen liegt.
Dopamin ist das Erwartungshormon
Seit den 1950er-Jahren ist bekannt, dass Dopamin eine Beziehung pflegt mit den Gefühlen Genuss und Vergnügen. Das zeigten zuerst Experimente mit Mäusen, später auch mit Menschen. Und zwar dann, wenn Maus und Mensch eine Belohnung erwarten.
Dopamin ist also ein Erwartungshormon. Kein Glückshormon. Aber es ist gern mit diesen unterwegs. Dopamin ist sowas wie die Chemie gewordene Vorfreude. Unser Gehirn schüttet Dopamin aus, wenn wir verliebt sind, uns auf den Kuchen freuen oder auf die nächste Kokain-Line. Für den Genuss, für den Kick, sind dann andere Säfte zuständig. Zum Beispiel die Endorphine.
Sucht ist weit komplizierter als die eh schon komplexe Natur eines einzelnen Neurotransmitters. Entsprechend haben Versuche mit Dopamin in der Suchttherapie nichts gebracht. Dopamin spielt zwar mit – aber eben nur im Ensemble.
Forscher schlagen sich die Nächte im Labor um die Ohren, Forscherinnen klettern auf Gletscher und Gipfel. Dank ihnen verstehen wir das Klima besser, bekommen immer schnellere Computer und müssen uns überlegen, ob wir wirklich Gentechbabies wollen.Das Wissenschaftsteam von Radio SRF taucht in die Welt der Forscherinnen und Forscher ein und bringt ihre Geschichten mit: einfach erzählt, Neugier genügt.
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