Einen Blick in unsere Zukunft – das versprechen medizinische Gentests. Denn in unseren Genen steht geschrieben, ob wir eher Alzheimer kriegen oder an einem Herzinfarkt sterben.
Ist das reine Hellseherei oder seriöse Wissenschaft? Eine Probe aufs Exempel soll Klarheit verschaffen. Mit etwas Spucke und ein paar 100 Dollar ist man dabei: Die US-Firma «Xcode Life» liefert das genetische Orakel in Form eines 61-seitigen Gesundheitsreports.
Das genetische Gesundheitsorakel
Das Rot beim Bereich Herzkrankheiten sticht sofort ins Auge: Das sieht gar nicht gut aus. 48 Krankheitsrisiken hat die Firma «Xcode Life» abgecheckt. Bei Diabetes zeigt das benutzerfreundliche Ampelsystem Orange, und bei Alzheimer zum Glück Grün.
Aber eben: Das Rot ist beunruhigend. Der Bedarf an weiterführenden Informationen ist hier riesig, eine fachliche Einschätzung dieses Gentests wäre angebracht – doch das liefern «Lifestyle-Gentests» wie der von «Xcode Life» nicht. Alles, was man erhält, sind platte Tipps: nicht zu viel essen, mit dem Rauchen aufhören, lernen zu entspannen.
Nichtssagend, oberflächlich, ungenau
«Wenn da Risiken für Krankheiten aufgelistet werden, dann bringt das gar nichts», lautet das vernichtende Urteil von Humangenetikerin Sabina Gallati vom Inselspital Bern. «Solche Tests sind nur eine Spielerei, die den Kundinnen und Kunden das Geld aus der Tasche zieht.»
Mit dieser oberflächlichen Analyse-Methode passieren schnell Fehler.
Zwar haben die Tests eine wissenschaftliche Grundlage: Sie suchen das Erbgut auf kleinste Variationen ab, die in grossangelegten Studien mit Krankheiten wie Alzheimer oder Herzproblemen assoziiert worden sind. Damit machen sie allerdings nur winzig kleine Stichproben, und die allein sind kaum aussagekräftig.
Milchunverträglicheit ja, Erbkrankheit nein
So eine Stichprobe im Erbgut taugt nur beschränkt. Sie kann beispielsweise eine Milchunverträglichkeit aufspüren.
Aber ob jemand eine schwerwiegende Erbkrankheit wie cystische Fibrose oder die Huntington-Krankheit in sich trägt, lässt sich mittels dieser winzigen Stichproben nicht feststellen. Dafür müsste man ein ganzes Gen präzise ablesen, und das leisten solche Lifestyle-Gentests nicht.
Fehler sind vorprogrammiert
Mit dieser oberflächlichen Analyse-Methode sind schnell Fehler passiert, wie Sabina Gallati auch bei unserem Test mit dem schlechten Resultat bei den Herzkrankheiten feststellt.
Sie als Genetikerin entnimmt dem Kleingedruckten, das beim Resultat mitgeliefert wird, Folgendes: 57 Genstellen hat der Test analysiert, und nur eine einzige war auffällig. Das reichte schon, um die Ampel auf rot zu stellen.
Dabei hat diese Genstelle nichts mit Herzkrankheiten zu tun, sondern mit einem angeborenen Herzfehler. Und wäre der tatsächlich vorhanden, hätte ihn schon längst ein Arzt entdeckt.
Falsche Resultate machen Angst
«Das dürfte so nicht gemacht werden, weil das bei den Leuten unbegründete Ängste auslösen kann», so Genetikerin Gallati, und sie muss es wissen: Als Präsidentin der eidgenössischen Kommission für genetische Untersuchungen am Menschen GUMEK hat sie sich dafür eingesetzt, dass solche Tests ab 2021 in der Schweiz verboten sind – es sei denn, die Testpersonen werden fachlich begleitet.
Nur leider hat das Ganze einen grossen Haken: Auch das neue Gen-Gesetz wird bei Online-Angeboten aus dem Ausland nicht greifen.