- In Apotheken und einschlägigen Onlineshops wird kräftig mit Mitteln und Präparaten zur vorbeugenden Stärkung des Immunsystems geworben.
- Viele Menschen schwören auf den abhärtenden Effekt von kalten Bädern und Saunabesuchen.
- Immunologen stehen dem Nutzen dieser Massnahmen spektisch gegenüber: Es gebe keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass sich ein gesundes, funktionierendes Immunsystem «noch gesünder» machen lässt.
Der Winter ist da und Grippe und Erkältungen holen immer mehr Menschen ein. Höchste Zeit also, «das Immunsystem zu stärken», um es «fit zu machen». Präparate und Empfehlungen zu bestimmten Abhärtungsmassnahmen gibt es zuhauf – Belege für ihren vorbeugenden Nutzen aber kaum.
Abhärtung im kalten Wasser
9,3 Grad im Wasser, null Grad an der Luft: Winterliche Bedingungen herrschen am «Zibeleschwümme» in Bern. Das hält 140 Wagemutige nicht davon ab, sich ins kalte Nass zu stürzen und 350 Meter flussabwärts treiben zu lassen.
Die meisten Kaltwasserschwimmer nehmen am traditionellen Anlass nicht zum ersten Mal teil, und viele sind auch im Winterhalbjahr regelmässig in natürlichen Gewässern anzutreffen. Auf die Frage nach dem Grund heisst es meist: der Gesundheit wegen.
«Das ist gut fürs Immunsystem und härtet ab», ist ein Schwimmer überzeugt. Und eine Schwimmerin erklärt, dass sie deshalb seit Jahren nicht mehr erkältet war, nie mehr einen Husten hatte und sich überhaupt viel gesünder fühle.
Immunologe Jakob Nilsson vom Universitätsspital Zürich, selber gerne in der Sauna bei extremen 95 Grad Celsius anzutreffen, kann diesem Zusammenhang wenig abgewinnen: «Es gibt keine guten Studien, die zeigen, dass Abhärtungsmassnahmen wie Sauna oder Kaltwasserbäder einen Effekt hätten und das Immunsystem vorbeugend gegen Erkältungen oder Grippe schützen würden.»
Nilsson vermutet vielmehr, dass Menschen, die sich gerne extremen Bedingungen aussetzen, grundsätzlich einen gesünderen Lebensstil pflegen. Sie seien aktiver, bewegten sich gerne – auch an der frischen Luft – und seien deshalb wohl grundsätzlich gesünder.
Die Mär vom Mangel
Die «Stärkung des Immunsystems» ist derzeit ein starkes Verkaufsargument der Apotheken. Ob virtuell im Internet oder real im Schaufenster, die Botschaft vom Nutzen unterstützender Präparate wird gerne verbreitet. Verkaufsschlager sind Mittel mit Vitaminen, Spurenelementen und Aminosäuren oder Produkte mit Extrakten aus Echinacea.
Auch hier gibt sich Immunologe Jakob Nilsson skeptisch und zweifelt die vorbeugende Wirkung solcher Immunstärker und pflanzlicher Fitmacher für den Winter an. Einerseits, weil grosse Übersichtsstudien bisher keinen eindeutigen vorbeugenden Effekt dieser Präparate belegen konnten, andererseits aber auch, weil das Immunsystem nur in bestimmten Fällen eingeschränkt funktioniert.
«Die zentrale Frage ist natürlich, ob die Person, die diese Produkte empfohlen bekommt, auch tatsächlich einen Mangel hat», konkretisiert der Immunologe. Denn gesunde Menschen in der Schweiz, die sich ausgewogen ernähren, hätten normalerweise keinen Mineralien- oder Vitamin-Mangel.
An der Klinik für Immunologie werde bei Blutanalysen nur äusserst selten ein solcher Mangel festgestellt. Und wenn der «Mikronährstoffe-Tank» voll sei, dann lasse sich der mit solchen Präparaten auch nicht weiter auffüllen.
Fürs Immunsystem und seine Abwehrkräfte bedeutet dies wiederum, dass es nicht von einem übervollen Tank profitieren kann.
Ab dem 60. Lebensjahr verändert sich auch das Immunsystem. Der Schutz nimmt ab und die Häufigkeit der Infektionen wieder zu. Natürlich spielen aber auch die Gene eine Rolle dabei, ob jemand anfälliger für Infekte ist oder eben nicht.
Zusätzlich stärken lässt sich das Immunsystem also nicht – man kann aber sehr wohl darauf achten, dass es nicht unnötig geschwächt wird.
Das hilft dem Immunsystem
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Bild 1 von 6. Gute Handhygiene. Wer seine Hände regelmässig wäscht, schützt das Immunsystem. Denn übertragen werden Keime vor allem über die Hände. Wer mit verkeimten Händen die Schleimhäute berührt, riskiert eher eine Infektion. Regelmässiges Händewaschen ist deshalb der beste Schutz. Bildquelle: imago.
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Bild 2 von 6. Gesunde Schleimhäute. Die erste Barriere für Keime bei Erkältungserkrankungen und Grippe sind die Schleimhäute der Atemwege. Trockenheit und Kälte machen sie im Winter anfälliger. Ausreichend Feuchtigkeit von aussen und viel Flüssigkeit von innen in Form von Tees zum Beispiel sind also wichtig. Bewegung an der frischen Luft fördert die Durchblutung. Bildquelle: imago.
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Bild 3 von 6. Genügend Nährstoffe. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Früchten versorgt das Immunsystem mit den nötigen Mikronährstoffen. Gesunde Menschen brauchen deshalb keine Zusatzpräparate. Bildquelle: imago.
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Bild 4 von 6. Weniger Stress. Ständiger Stress schwächt die Immunabwehr. Unser Körper ist darauf programmiert bei Gefahr oder Überforderung Stresshormone auszuschütten. Das Stresshormon Kortisol wirkt aber entzündungshemmend und dämpft damit die Immunabwehr. Kurze Stressphasen sind kein Problem, chronischer Stress macht uns deutlich anfälliger für Krankheiten. Bildquelle: imago.
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Bild 5 von 6. Ausreichend Schlaf. Wer regelmässig weniger als sechs Stunden schläft, ist häufiger krank. Nachts ist das Immunsystem aktiver, es bilden sich mehr neue Abwehrzellen. Ideal für unsere Abwehrkräfte sind sechs bis sieben Stunden Schlaf, mehr bringt keinen zusätzlichen Nutzen. Bildquelle: imago.
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Bild 6 von 6. Impfen. Mit einer Impfung können wir unser Immunsystem immerhin gegen spezifische Keime schützen. Im Winter zum Beispiel gegen das Influenza-Virus, das Grippe verursacht. Der Impfschutz ist zwar nicht hundertprozentig – gut 60 Prozent der Geimpften werden aber nicht krank oder haben weniger starke Beschwerden. Bildquelle: imago.