Die Situation ist Pendlern nur allzu vertraut: Die Zugtüren öffnen sich und genau die Person vor einem setzt sich nicht etwa zügig in Bewegung, sondern taumelt aufreizend langsam mit ungleichmässigem Gang und unbestimmter Gehrichtung vor einem her. Gelingt das Überholen dann endlich, verschafft ein kurzer Seitenblick schnell Gewissheit: Das Verkehrshindernis hantiert an seinem Handy herum und befindet sich gerade in einer eigenen Welt.
Dass solche «Handy-Zombies» nicht nur ihre Mitmenschen nerven, sondern sich auch durchaus selber gefährden, zeigt nicht erst das Beispiel einer chinesischen Touristin. Die ist vergangenes Jahr in Melbourne mit festem Blick auf ihr Smartphone über eine Mole hinaus marschiert und ins Meer gestürzt. Aus Australien erreicht uns nun auch der wissenschaftliche Nachweis dafür, dass und wie sich die Handynutzung aufs Gehen auswirkt.
Gehen wie ein Roboter
Forscher der Universität von West-Sydney liessen dafür 26 Testpersonen geradeaus laufen – einige ungestört, andere auf dem Handy lesend und wieder andere SMS schreibend. Ihre Bewegungen wurden elektronisch erfasst und dreidimensional analysiert.
Das Fazit der Wissenschaftler: «Auf einem Mobiltelefon SMS schreiben, beeinträchtigt besonders stark die Fähigkeit zu laufen und das Gleichgewicht zu halten.» Laut Hirnforscherin Siobhan Schabrun bewegen sich Menschen, die beim Laufen SMS schreiben, wie Roboter. «Sie halten das Telefon und bewegen alles parallel, damit es nicht so wackelt und ihre Augen fokussieren können.» Die gesamte Motorik gerät dadurch aus der Balance, was zum typisch schleppenden Gang mit unberechenbaren Schlenkern führt.
Unfallursache mit wachsender Bedeutung
Die Erkenntnisse der Forscher erscheinen wenig überraschend, sie wurden aber weltweit erstmals im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie gewonnen.
Dass die Telefonnutzung beim Gehen ein reales Problem darstellt, ist jedenfalls schon länger klar. So zeigt zum Beispiel eine US-Studie eindrücklich die Zunahme von Fussgängerunfällen infolge Ablenkung durchs Mobiltelefon: 2010 mussten aus diesem Grund schätzungsweise über 1500 Verletzte in der Notaufnahme behandelt werden. Mehr als sieben Mal so viele wie 2005 – obwohl die Gesamtzahl verletzter Fussgänger in diesem Zeitraum rückläufig war.