25‘000 Menschen leben in der Schweiz mit einem angeborenen Herzfehler. Darunter versteht man angeborene Missbildungen des Herzens. Das Herz durchläuft in seiner Entwicklung im Mutterleib sehr komplexe Phasen. Die verschiedenen Stufen seines Wandels hin zu einem normal funktionstüchtigen Organ bieten zahllose Möglichkeiten für Störungen. Bei einem von hundert Babys hat sich ein solcher Fehler eingeschlichen – die Auswirkungen können von massiv bis kaum wahrnehmbar sein. Es kann geschehen, dass Gefässe falsch angelegt sind oder Trennwände zwischen linker und rechter Herzseite nicht verschlossen werden, aber auch, dass ganze Gebilde fehlen, Klappen zum Beispiel. Manche der Fehler muss man sofort nach der Geburt operieren, damit das Kind eine Überlebenschance hat, andere sind Zufallsbefunde im Erwachsenenalter, die teilweise behoben werden können, aber nicht müssen.
Der häufigste Herzfehler ist auch einer der gutartigsten: eine offene Trennwand zwischen beiden Vorhöfen. Diese Öffnung spüren sehr viele gar nicht, wenn das Loch jedoch erkannt wird, sollte man es auch in den meisten Fällen schliessen. Sehr komplexe Fehler werden dagegen häufig bereits schon während der Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft mittels Ultraschall aufgespürt. Andere entdeckt man erst nach der Geburt, weil etwa ein Baby beim Trinken auffällig schwitzt oder wenig Appetit hat.
Die Überlebenschancen werden immer besser
Es gibt so viele verschiedene Arten von Herzfehlern wie es Patienten gibt. Unter diesen jedoch gibt es Gemeinsamkeiten. Drei von vier Betroffenen kommen mit einfachen Herzfehlern zur Welt, beispielsweise Löchern zwischen Vorhöfen oder Herzkammern, die sich leicht behandeln lassen. Komplexere machen dann schon einen komplizierteren Eingriff erforderlich, doch danach leistet dann Herz meistens ganz normale Arbeit. Bei der kleinsten Gruppe mit den sehr komplexen Herzfehlern, z. B. wenn Herzen nur eine Kammer haben, lässt sich der Fehler auch chirurgisch nicht beheben.
«Immer mehr Kinder mit angeborenem Herzfehler erreichen das Erwachsenenalter, deshalb nimmt die Gesamtzahl der Menschen, die mit Herzfehlern leben, natürlich zu. Aber die Häufigkeit der Menschen, die damit geboren wird, ist wahrscheinlich immer etwa gleich», sagt Herzchirurg Thierry Carrel, der bereits über 10‘000 solcher Herzoperationen durchgeführt hat.
Zukunftsmusik: Ersatz aus dem eigenen Körper
Waren noch vor wenigen Jahrzehnten Ärzten schnell die Hände gebunden, ist heute «praktisch alles möglich», sagt Thierry Carrel. «Wir machen immer mehr Korrektureingriffe an kleinen Kindern in den ersten Lebenstagen – das ist noch vor 20 Jahren ein grösseres Unternehmen mit einer hohen Sterblichkeit gewesen. Heute können wir praktisch alle Herzfehler mit einer Sterblichkeit von ein bis drei Prozent korrigieren – mit nur ganz wenigen Ausnahmen.»
Das Ende des Fortschritts ist bei Weitem noch nicht erreicht – auch ein Chirurg wie Carrel, der mit den modernsten Mitteln arbeitet, hat noch Wünsche offen: «Wir träumen, dass wir einmal fehlende Strukturen mit eigenem Gewebe nachbilden können, zum Beispiel Klappen aus körpereigenem Gewebe.»