Daphne Pitschmann hat seit 15 Jahren chronische Schmerzen. Dem Gang der 22-Jährigen sieht man es nicht an, denn heute kann sie mit dem Stechen in ihrer Hüfte umgehen. Es gab andere Zeiten. Da kam sie zu Fuss nur knapp 200 Meter weit.
Wie hat sie es geschafft, mit ihren Schmerzen zu leben? Nicht durch die Beseitigung der Ursache, sondern mit einer psychosomatischen Therapie. Die junge Frau ist ein ermutigendes Beispiel dafür, dass man chronische Schmerzen auch ohne Schmerzmedikamente in den Griff bekommen kann – oder mit nur wenigen. Und vor allem: ohne Opioide!
Operationen linderten Schmerzen nicht
Pitschmann hat eine exemplarische Leidensgeschichte mit chronischen Schmerzen hinter sich. Mit diagnostischen Unklarheiten, Doktor-Hopping, massiven Auswirkungen auf das soziale Umfeld und depressiven Phasen.
Das Ganze begann bereits, als sie sieben Jahre alt war. Ärztinnen stellten eine Fehlstellung des Oberschenkelhalses fest. Aber die Operation, bei der Pitschmann als Achtjährige Eisenschrauben in die Hüfte gedreht bekam, liess die Schmerzen nicht verschwinden.
Auch die Folgeoperation ein Jahr später brachte keine Erlösung. Die Schmerzen in der Hüfte blieben. Die Ärzte waren ratlos.
Zermürbende Suche nach einem Befund
Daphne Pitschmann und ihre Familie waren getrieben von der Suche nach der Schmerzursache. Leider gibt es sehr viele Fälle, bei denen sich keine solche finden lässt. Der Grund: Unser Gehirn prägt sich ständig wiederkehrende Schmerzen ein. Irgendwann signalisiert es sie auch ohne körperlichen Auslöser. Ähnlich einem Ohrwurm: Obwohl man ein Lied gar nicht mag, wird es im Kopf endlos wiederholt. Von sich aus, in einer Endlosschlaufe, auch wenn man die Melodie gar nicht mehr gehört hat.
Die ewige Suche nach der Ursache der Schmerzen – und vor allem, dass die Ärzte nichts herausfinden – lässt viele Betroffene mit chronischen Schmerzen an sich selber und ihrer Wahrnehmung zweifeln. Viele rutschen deshalb in eine Depression. So erging es auch Daphne Pitschmann.
Ich habe super Freunde gehabt, aber kein Verständnis. Wenn ich Schmerzen hatte, war das Verständnis nicht da. Diese depressiven Phasen, da habe ich mich sehr alleine gefühlt.
Als Pitschmann 13 Jahre alt war, entschied die Familie, das Problem anders anzugehen. Sie wollte keiner Ursache mehr nachrennen, sondern den Schmerz auch ohne Befund akzeptieren und lernen, damit umzugehen.
Dank diesem Entscheid und der darauffolgenden Therapie lebt die junge Frau heute gut mit ihrem Schmerz, sogar ohne Medikamente.
Schmerzen sind Kopfsache
Schmerzspezialist Wilhelm Ruppen vom Universitätsspital Basel ist überzeugt, dass die psychosomatische Therapie bei jeder Art von chronischen Schmerzen hilft.
Es komme aber darauf an, mit welcher Erwartung und Verständnis der Patient in die Therapie gehe. «Wenn der Patient das Gefühl hat, der Arzt erstelle ein Rezept für eine Wundertablette, dann funktioniert die Therapie nicht.» Es brauche ein Verständnis dafür, wie Schmerz im Körper – ganz besonders im Gehirn – funktioniert, so Ruppen.
Auch müssten Betroffene bereit sein herauszufinden, welche Faktoren in seiner oder ihrer Lebenssituation die Schmerzen verstärken.
Schmerzen nur noch im Hintergrund
Sieben Jahre ging Pitschmann in die Therapie. Sie hat es geschafft, den Schmerz zu akzeptieren und mit ihm zu leben. «Er ist Teil der Bühne meines Lebens», sagt sie, «aber ich kann jetzt selber entscheiden, was in meinem Leben wichtig ist.»