Margrit Annen sagt, sie sei immer lebensfroh und belastbar gewesen. Die vierfache Mutter hatte das Leben im Griff. Bis zu den Wechseljahren. «Ich hatte auf nichts mehr Lust und konnte morgens kaum mehr aufstehen. Ich habe nichts mehr gespürt. Es war wie tot in mir», erinnert sich die Zentralschweizerin.
Margrit Annen hatte noch nie psychische Probleme, doch mit 56 Jahren wurde bei ihr eine Depression diagnostiziert: «Zu diesem Zeitpunkt gab keinen Grund, in dieses schwarze Loch zu fallen. In meinem Leben hat alles gestimmt.»
Mehr Depressionen in den Wechseljahren
Die Wahrscheinlichkeit für ein Neuauftreten depressiver Störungen ist in den Wechseljahren zweieinhalbmal höher als vorher im Leben einer Frau, wie eine amerikanische Langzeitstudie zeigt. Auch die Häufigkeit von Angstzuständen nimmt während den Wechseljahren zu.
Dass Frauen doppelt so häufig an Depressionen erkranken wie Männer, deutet darauf hin, dass die Sexualhormone eine Rolle bei der Entstehung spielen. Viele Frauen gehen gesund durch die Wechseljahre. Man nimmt aber an, dass bei einigen Frauen das Gehirn besonders sensibel auf die hormonellen Schwankungen reagiert, insbesondere des Östradiol-Spiegels.
Margrit Annen fiel immer tiefer in die Depression. Sie konnte den Alltag nicht mehr bewältigen und wurde für zehn Wochen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Eine schwere Zeit, auch für die Familie. «Das Schlimmste war diese Ohnmacht, dass man Margrit nicht helfen konnte», sagt Ehemann Ivo Annen.
Hormone statt Antidepressiva
Dann bekam Margrit Annen den Tipp, sich an den erfahrenen Frauenarzt Peter Jeker aus Cham zu wenden. Er verschrieb ihr Hormone statt Antidepressiva. Sie war zuversichtlich: «Mit der Hormonersatztherapie ging es radikal aufwärts. Auch wenn es anfangs noch ein Auf und Ab war, spürte ich, dass es gut kommt.» Die Depressionen verschwanden.
Doch Hormone helfen nicht immer: Es kommt auf die Art und Ausprägung der Depression an. Manchmal kann es auch eine Kombination von Antidepressiva und Hormonersatztherapie sein.
Frauenarzt Peter Jeker sagt, dass Fachleute den möglichen Zusammenhang von Hormonmangel und Depressionen in den Wechseljahren zu wenig gut erkennen: «Es ist wichtig, dass bei der Ausbildung von Ärztinnen, Psychologen und Psychiatern dieser Zusammenhang thematisiert wird, damit die betroffenen Frauen zu Leuten kommen, die alle Aspekte der Depression ausleuchten. Auch die Hormonmangelproblematik.»
Die Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie will die Vorwürfe der mangelhaften Ausbildung nicht stehen lassen und schreibt auf Anfrage von SRF: «Der Einfluss, den Geschlechtshormone auf Körper und Psyche haben können, ist allgemein bekannt und gehört zum psychiatrischen Basiswissen. Eine sorgfältige Anamnese ist für Psychiaterinnen und Psychiater auch bei den Frauen in den Wechseljahren eine Selbstverständlichkeit.»
Neue Lebensfreude
Margrit Annens leidvolle Geschichte hat ein gutes Ende gefunden. Bei ihr hat die Hormonersatztherapie geholfen und sie von ihrer Depression befreit. Heute geht es ihr blendend: «Ich habe wieder Energie und einen Lebenswillen. Wenn ich morgens erwache, macht es mir nur schon Spass, aufzustehen. Ich habe an allem so viel Freude!»