Als Baby sind wir alle «total beweglich»: Gelenke und Wirbelsäule lassen sich bewusst oder unbewusst in fast jede erträgliche Position bewegen, was Stehen oder Gehen noch zum Ding der Unmöglichkeit macht. Noch, denn mit der Zeit reift der Bewegungsapparat und wächst in seine Aufgabe hinein. Das Zusammenspiel von Knochen, Knorpel, Bändern und Muskeln ist in der Pubertät schliesslich optimal aufeinander abgestimmt.
Dass einzelne Gelenke auch nach dem Babyalter überdurchschnittlich flexibel sind, ist nicht ungewöhnlich. Je nach Studie sind 5 bis 43 Prozent aller Frauen davon betroffen. Und für eine Karriere auf der Showbühne oder in gewissen Sportarten ist eine ausgeprägte Überbeweglichkeit sogar fast schon Grundvoraussetzung. Gesund für die Gelenke ist diese unnatürliche Beweglichkeit jedoch auf Dauer nicht, und zum akuten Problem wird sie, wenn sie durch sportliche Anstrengung oder normale Alltagsbelastungen zu Schmerzen führt.
Bloss beweglich oder schon hypermobil?
Ob eine Gelenküberbeweglichkeit vorliegt, lässt sich schnell und einfach mit dem «Beighton Score» abschätzen. Beurteilt werden dabei verschiedene Fähigkeiten und Eigenschaften, die nach einem Punkteschema bewertet werden:
- Das Aufstellen der kleinen Finger auf 90° (mit Hilfe der anderen Hand) ist möglich (rechts und links jeweils 1 Punkt)
- Anlegen des Daumens an die Innenseite des Unterarm ist möglich (rechts und links jeweils 1 Punkt)
- Die Überstreckbarkeit der Ellbogen-Gelenke nach hinten um mindestens 10° ist möglich (rechts und links jeweils 1 Punkt)
- Die Überstreckbarkeit der Knie-Gelenke nach hinten um mindestens 10° ist möglich (rechts und links jeweils 1 Punkt)
- Es besteht die Fähigkeit, stehend bei durchgestreckten Knien mit beiden Handflächen den Boden zu berühren (1 Punkt)
Maximal können 9 Punkte erreicht werden. Ab 5 Punkten liegt definitionsgemäss bereits ein gutartiges Gelenküberbeweglichkeits-Syndrom («benign joint hypermobility syndrome») vor. Grundsätzlich könnte aber auch eine andere – z.B. rheumatische – Erkrankung Ursache der Überbeweglichkeit sein, weshalb für eine zuverlässige Diagnose eine ärztliche Untersuchung erforderlich ist.
Studie soll Klarheit bringen
Die einfachste Massnahme zur Vermeidung oder Reduktion von Schmerzen und übermässiger Abnützung ist das Vermeiden der unnatürlichen Überdehnung. Binden oder Manschetten um das entsprechende Gelenk können dabei stützend helfen. Darüber hinaus lassen sich keine allgemeine Empfehlungen geben, da Überbeweglichkeit ein sehr individuelles Phänomen ist – und eines, das noch wenig erforscht ist.
Wo genau die Linie zwischen «normal beweglich» und «hypermobil» respektive «unbedenklich» und «ungesund» verläuft, ist momentan noch ebenso wenig klar wie weshalb einige Hypermobile Probleme haben und andere nicht. Dies ist unter anderem Gegenstand der Studie am Inselspital Bern, wo normalbewegliche mit überbeweglichen Frauen à la «Schlangenmensch» Nina Burri verglichen werden. Das erhoffte Resultat: Eine gezielte Therapie oder gezielte Tipps für Hypermobile.