Müdigkeit, Muskelschmerzen, Haarausfall: Solche Symptome können auftreten, wenn die Eisenreserven des Körpers verbraucht sind. Doch ab wann sind Eiseninfusionen nötig und gerechtfertigt? In dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. In speziellen «Eisenzentren», wo sich viele Frauen behandelt lassen, gelten sehr hohe Zielwerte für das Speichereisen, das Ferritin.
Die hohen Zielwerte führen zu Konflikten zwischen Betroffenen, Ärzten, und Krankenkassen. Dabei spielen auch die Kosten eine Rolle. Tatsache ist, die Grundversicherung gibt Jahr für Jahr mehr Geld für Eiseninfusionen aus. 2016 waren es über 51 Millionen Franken, rund 56 Prozent mehr als noch 2011. Bei der «Ombudsstelle Krankenversicherung» in Luzern beschweren sich wiederholt Versicherte, weil ihre Krankenkasse die Kostenübernahme verweigert.
Eisenmangel zu wenig genau definiert
Eliane Brechbühl von der Ombudsstelle: Weil die Frage nicht eindeutig geregelt ist, entscheidet der Vertrauensarzt der jeweiligen Kasse darüber, wann eine Pflichtleistung vorliegt und wann nicht. Einzelne Fälle landeten schon vor Gericht. Allerdings wies das Kantonsgericht Baselland eine Klage gegen die Krankenkasse Atupri ab. Begründung: Die Ferritinwerte der Klägerinnen seien nicht tief genug gewesen.
Auf den ersten Blick scheint die Rechtslage klar zu sein: Krankenkassen müssen Eiseninfusions-Therapien bezahlen, wenn Tabletten oder Tropfen unwirksam oder unverträglich sind, und wenn ein Eisenmangel vorliegt. Zwei Präparate sind für solche Therapien zugelassen und stehen auf der Spezialitätenliste des Bundes.
Doch es bleiben Grauzonen, weil der Eisenmangel nicht genau definiert wurde. Franziska Sprecher, Spezialistin für Gesundheitsrecht der Universität Bern, kritisiert diesen Zustand: «Es ist ungeeignet, dass Juristen über Einzelfälle entscheiden. Es wäre sinnvoll, wir hätten allgemein gültige Leitlinien zu diesen Therapien.»
Der Bund schreitet ein
Wer also braucht wirklich intravenöses Eisen, bei welchen Laborwerten und Symptomen? Diese Fragen will der Bund nun geklärt haben. Im Rahmen eines Health Technology Assessment-Verfahrens lässt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Infusionstherapie umfassend überprüfen.
Erste Ergebnisse des jahrelangen Verfahrens sind auf dem Tisch. Auf Anfrage teilt das BAG mit: Die Analyse der wissenschaftlichen Daten liefere keine Belege dafür, dass Eiseninfusionen einer oralen Therapie überlegen seien.
Jetzt wird geprüft, wer weiterhin einen Anspruch auf Eisen-Infusionen haben soll, unter Einbezug der Kostenfrage. In einem Jahr dürfte der Schlussbericht vorliegen. Dann sind konkrete Massnahmen zu erwarten. «Es kann sein, dass ein Schwellenwert festgelegt wird», erklärt Sandra Schneider, Leiterin der Abteilung Leistungen im BAG.
Das würde bedeuten, dass die Spezialitätenliste mit einer Beschränkung – einer Limitatio – versehen wird. Die Vergütungspflicht würde damit an Laborwerte gebunden. «Ärzte wären zwar nach wie vor frei, Eiseninfusionen zu verschreiben», so Gesundheitsrechts-Professorin Franziska Sprecher. Doch Patientinnen müssen die Behandlung dann unter Umständen selbst bezahlen. Die behandelnden Ärzte wären verpflichtet, sie darüber zu informieren.