Bis zu sechs IQ-Punkte koste es Jugendliche, wenn sie bereits in jungen Jahren viel kifften, zeigte im Sommer 2012 eine grossangelegte Langzeitstudie. Das ist zwar nicht viel, trotzdem schlossen die Autoren der Studie daraus: Cannabis ist Gift fürs Gehirn. «Kiffen macht definitiv dumm», lautete damals eine Schlagzeile.
Cannabis nicht direkte Ursache
Ole Rogenberg vom Frisch Center in Oslo hat nun nachgerechnet und kommt zum Schluss: Die Auswertungsmethode der Studie vom Sommer erlaube es nicht, Cannabis-Konsum als direkte Ursache zu identifizieren. Geradesogut könne bei den Studienteilnehmenden Armut oder zu wenig Bildung schuld sein am sinkenden IQ. «Den IQ kann man sich wie einen Muskel vorstellen», sagt Ole Rogenberg: je trainierter, desto stärker. Mit guter Schulbildung und einem herausfordernden Beruf steige der IQ entsprechend, während arme und bildungsferne Jugendliche ihr volles Intelligenzpotential oft nicht ausschöpfen könnten.
Das Milieu macht's aus
Nun sind offensichtlich gerade diese Jugendlichen bei den Kiffern übervertreten. Deren IQ sinkt also möglicherweise gar nicht, weil sie Cannabis konsumieren. Nicht die Inhaltsstoffe eines Joints wären dann das Problem, sondern – im Durchschnitt jedenfalls – ein zu wenig herausforderndes Milieu.
Das findet der Suchtforscher Michael Schaub vom Institut für Sucht-und Gesundheitsforschung Zürich durchaus plausibel: «Die Leute sind dann 25 oder 30 Jahre alt und haben verpasst, was von unserer Gesellschaft in dieser Zeit alles vorgesehen ist: die Lehre abschliessen zum Beispiel oder den Führerschein machen.»
Letztes Wort noch nicht gesprochen
Die Forscher der ursprünglichen Cannabis-Studie widersprechen dieser Interpretation in einem Communiqué. Ihre Daten seien durchaus mit der Erklärung kompatibel, dass Cannabis direkt giftig aufs Gehirn wirke.
Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Die Schlagzeile «Kiffen macht definitiv dumm» war aber wohl definitiv etwas voreilig.