Gianluca De Febis ist 47 Jahre alt – und schwer dement. Seine Tage verbringt er am liebsten im Bett. Unterhaltungen kann man fast keine mehr mit ihm führen. De Febis leidet an einer besonders aggressiven Form der Demenz – der frontotemporalen Demenz, kurz FTD.
Vor 4 Jahren trainierte Gianluca De Febis noch die Frauen des FC Bethlehem. Damals hätte niemand gedacht, dass der Trainer bald auf Vollzeitpflege angewiesen sein würde.
Seine Diagnose hat er im Jahr 2017 erhalten. Heute ist die Krankheit so weit fortgeschritten, dass selbst zum Trinken die Anweisungen ganz klar sein müssen: «Aufsitzen und dann erst trinken. Aufsitzen. Erst die Beine da runter. Genau, jetzt trinken», weist ihn eine Pflegerin an.
Ein unerkanntes Leiden
In der Schweiz leben schätzungsweise 151'000 demenzkranke Menschen. Rund 4'500 davon sind junge Betroffene, die ihre Diagnose zwischen 30 und unter 65 bekommen.
Wenn sich die ersten Zeichen einer FTD ankündigen, wird die Krankheit oft nicht erkannt oder für etwas anderes gehalten. So wird sie beispielsweise gerne mit einem Burnout, einer Depression oder Zwangsstörung verwechselt.
Denn Betroffene verhalten sich auffällig, werden apathisch oder vielfach auch motorisch unruhig. Ihr Verhalten wird repetitiv bis stur, vor allem aber fallen sie durch den Verlust ihrer herkömmlichen Persönlichkeit auf. Sie werden enthemmt, übergriffig, essen ohne Mass oder wirken kühl und unberührt. Es fehlt ihnen an Empathie.
Für die Angehörigen und Freunde der Betroffenen ist dies besonders schwer mitanzusehen. Gianmarco, Gianluca De Febis' Sohn, vermisst seinen Vater sehr.
Vor etwa 3 Jahren stellte Nathalie, Gianlucas Frau, die ersten Veränderungen fest. Ihr Mann zog sich zurück. Half nicht mehr mit zu Hause und verbrachte plötzlich viel Zeit in der Badewanne, wo er alte Lieder sang. Solche Verhaltensveränderungen sind typisch für Menschen mit einer FTD.
Auch Pflegeheime haben Mühe mit dem Umgang
Zunehmend wurde Gianluca De Febis' Verhalten übergriffig – die Belastung für die Familie immer grösser. Für Menschen mit FTD eine Pflegelösung zu finden, ist selten einfach. Aufgrund ihres schwierigen Umgangs ist das Pflegepersonal schnell überfordert. Schliesslich nahm man ihn in der Akutstation der Universitären Psychiatrischen Diensten Bern auf.
Später, wenn die Krankheit fortgeschritten ist, wird der Umgang mit den Patienten leichter. Dann nimmt die Demenz so stark zu, dass sie sich kaum mehr von einem Alzheimerpatienten in fortgeschrittenem Stadium unterscheiden.
«Es fehlt etwas»
Einmal in der Woche freut sich Gianluca De Febis auf das Essen mit der Familie. Der Besuch beginnt auch heute noch jedes Mal mit einem Bad. Dabei muss ihm seine Frau alles Schritt für Schritt erklären.
Doch dieser Aufwand ist nicht, was sie am meisten bedrückt. Es ist der Verlust eines geliebten Menschen, ihres Partners, mit dem sie 27 Jahre lang ein Team war. Der nun innert weniger Jahren verschwindet.
Noch kann Gianluca De Febis sagen, was er gerne essen oder welchen Apéro er gerne trinken möchte. Und auch wenn er sich nicht mehr differenziert auszudrücken vermag, realisiert er offensichtlich, dass sein Leben ein ganz anderes geworden ist. Auf die Frage, ob es ihm fehlt, Fussballtrainer zu sein, fasst er seine Lebenssituation schmerzlich passend zusammen: «Es fehlt etwas – es ist wie eine Lücke, wo was fehlt».