Der Nachfolger von «Mister Corona» Daniel Koch gibt einen Ausblick, wie auch nach den umfassenden Lockerungen vom 6. Juni ein Wiederaufflammen der Corona-Epidemie verhindert werden soll.
SRF: Wie gut sind wir in der Schweiz auf Superspreading-Events vorbereitet? Ist unser Tracing darauf ausgerichtet, dass man solche Infektionsherde schnell findet?
Stefan Kuster: Ich denke, wir sind gut vorbereitet. Unsere kantonsärztlichen Dienste haben die Ressourcen massiv hochgefahren. Sie gehen solchen Fällen nach, blicken zurück und versuchen herauszufinden, wo sich jemand angesteckt hat. In den Umgebungsuntersuchungen kann man dann sehen, wo es noch andere Fälle hat.
Es ist also den Kantonsärzten überlassen, wie genau sie dabei vorgehen?
Das ist so. Und sie sind natürlich auch in der Verantwortung, dass es funktioniert und die Infektionsketten unterbrochen werden. Die Kantonsärzte haben ein sehr grosses Interesse daran, denn wenn sie die Übertragungskette nicht finden, geht es in ihrem Kanton weiter – und das könnte dann irgendwann aus dem Ruder laufen.
Vergleicht man mit Japan, Südkorea oder anderen Ländern, sind wir hierzulande sehr zurückhaltend in Sachen Quarantäne. Wenn es zwei Fälle in einer Schulklasse hat, schicken wir die Klasse nach Hause, schliessen aber nicht die ganze Schule. Müsste man da nicht umdenken?
Das wissen wir nicht. Wir sind immer noch neu in der Epidemie und kennen das Virus noch nicht so lange. Da kann man eine Maximalvariante wählen und Zehntausende Menschen in Quarantäne stecken – oder man kann versuchen, verhältnismässig, Schritt für Schritt, mit der Situation umzugehen und eine gute Balance zu finden.
Wenn ich im Zug reise und positiv wäre, dann würde ich unter Umständen mit einigen Leuten über eine Stunde lang sehr nahe zusammensitzen, hätte aber keine Ahnung, wer das ist. Das ist doch ein Problem?
Ja, das ist so. Irgendwann kommt vielleicht die App, die uns dabei hilft, solche Übertragungsketten im Nachhinein nachzuvollziehen und wo sich Kontakte dann auch melden und testen lassen können. Aber im Zug ist es definitiv so, dass wir eine Situation mit engem Kontakt haben mit Leuten die wir nicht kennen. Da braucht es eben Masken.
Tragen Sie selber im Zug eine Maske, solange es die App nicht gibt?
Ja, ich trage im Zug eine Maske. Heute sass ich alleine im Abteil und hatte trotzdem eine auf.
Ich war in drei Restaurants essen, seit das wieder möglich ist. In allen wollte ich meine Telefonnummer hinterlassen und bekam dreimal zu hören, dass das nicht nötig sei. So nützt das Schutzkonzept doch nur auf dem Papier!
Wo ich essen war, habe ich meine Kontaktdaten hinterlassen. Es gibt also durchaus Restaurants, die das machen. Sie sollen und müssen das auch tun, denn es ist ganz wichtig, damit man die Kontakte bei Bedarf finden und informieren kann.
Auf einer Gefahrenskala von 1 bis 10, mit 10 als «worst case»: Wo stehen wir heute in Sachen Corona?
Ich glaube, im Moment sind wir bei einer 3. Wir haben sehr wenige Fälle und wir haben die Situation im Griff. Jetzt ist es einfach wichtig, dass die acht Millionen Menschen in diesem Land mitmachen. Dass sie den Abstand immer noch wahren, eine Maske tragen, wenn dies nicht möglich ist, und ihre Kontaktdaten hinterlassen. Damit wir es schaffen, in dieser Situation beim 3 zu bleiben und allenfalls auf eine 1 herunterzukommen.
Das Gespräch führte Daniela Lager.