Der Nobelpreisträger Harald zur Hausen hat in Kuhmilch und Rindfleisch neuartige Infektionserreger entdeckt, die den Darm besiedeln und später Krebs auslösen könnten. SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel über Detektivarbeit im Dickdarm, Muster und Massnahmen.
SRF: Wie kommt Harald zur Hausen auf den Zusammenhang, Erreger in Rindfleisch und Kuhmilch könnten krebsfördernd sein?
Katrin Zöfel: Am Anfang stand ein geographisches Muster. In einigen Regionen, wo viel Rindfleisch gegessen wird, ist das Risiko für Dickdarmkrebs höher als anderswo.
Mit solchen Mustern fängt in der Krebsforschung vieles an. Die Forscher schauen dann, ob sie herausfinden können, woher das Muster kommt.
Das klappt aber sicher nicht immer?
Da steckt immer viel Detektivarbeit drin. Harald zur Hausen hat mit seinen Kollegen viele Erbgutproben aus Dickdarmtumoren untersucht, Fleisch und Milchproben analysiert und legt nach zehn Jahren Forschung die These vor: Eine Infektion mit sogenannten BMMFs (Bovine Meat and Milk Factors) kann Dickdarmkrebs auslösen.
Es bringt nichts, wenn wir jetzt auf Milch und Rindfleisch verzichten.
Zur Hausen vermutet, dass daher auch das geographische Muster kommt. Diese BMMFs tauchen nur bei Rindern der europäischen Rassen auf, die in Europa und in Amerika verbreitet sind. Und das passt zu den Verbreitungsmustern von Dickdarmkrebs.
Dann sollten wir keine Milch trinken und kein Rindfleisch mehr essen?
Nein. Zur Hausen sagt, wir seien wahrscheinlich eh längst alle infiziert – von frühester Kindheit an. Es bringt also nichts, wenn wir jetzt auf Milch und Rindfleisch verzichten.
Was ich aber betonen möchte: Die Forscher aus Heidelberg haben viele Indizien vorgelegt. Aber bewiesen ist der Zusammenhang noch nicht.
Was spricht denn für zur Hausen?
Dass er diesen Weg schon einmal hinter sich hat. Er hat nachgewiesen, dass Humane Papillomaviren ein, wenn nicht der Auslöser für Gebärmutterhalskrebs sind. Auch da hat ihm anfangs keiner geglaubt. 2008 bekam er dann für seine Forschung den Nobelpreis für Medizin.
Jetzt legt der 83-jährige zur Hausen also erste Hinweise für einen neuen Zusammenhang vor, diesmal zwischen diesen neuartigen Erregern und Darmkrebs. Er hofft, dass andere Forscher das aufgreifen und daran weiterforschen.
Konnten die Heidelberger Forscher zeigen, was diese Erreger im Darm machen?
Sie setzen sich offenbar im Darmgewebe fest, der Körper reagiert mit einer Entzündung, die wird chronisch.
Solche chronischen Entzündungen schaden dem Gewebe um sie herum, immer wieder entstehen dabei auch Schäden im Erbgut. Die können dazu führen, dass über die Jahre einzelne Zellen zu Krebszellen entarten und Tumore bilden.
Es gibt klare Hinweise darauf, dass langes Stillen Neugeborene vor vielen Infektionen schützt.
Milch und Fleisch lösen Krebs also nicht direkt aus. Aber sie sorgen im Darmgewebe für ein Milieu, in dem Krebs leichter entsteht.
Sie sagten, wir sind vermutlich alle infiziert. Könnte man das in Zukunft verhindern?
Harald zur Hausens Vorschlag Nummer eins wären Impfungen. Aber da ist der Weg noch weit. Dann könnte man versuchen, Rinder so zu verändern, dass sie den Erreger nicht mehr in sich tragen. Das ist allerdings nicht einfach und umstritten.
Das Einzige, was konkret ist: Es gibt klare Hinweise darauf, dass langes Stillen Neugeborene vor vielen Infektionen schützt. Und eben vermutlich auch vor dieser.
Wie reagieren denn zur Hausens Forscherkollegen auf die These?
Zurückhaltend. Die Theorie ist spannend und die Beweiskette schon ziemlich dicht. Aber bisher stammt das alles von einer einzigen Forschergruppe. Es gibt noch keine unabhängige Bestätigung.
Das Gespräch führte Christian von Burg.