Nie gibt es mehr Früchte und Gemüse auf den Schweizer Feldern, Märkten und Gärten als im Spätsommer: Zucchetti, Peperoni, Tomaten, Beeren, Zwetschgen – frisch sind sie am besten.
Dann kommt der Herbst und wir greifen im Supermarkt wieder zu Gurken aus Holland und Himbeeren aus Spanien? Nicht unbedingt. Wer heimische Gemüse und Früchte vorzieht, kann sie beizeiten auf verschiedene Arten konservieren und so auch im Winter von den Nährstoffen profitieren. Genauso, wie es schon unsere Grossmütter und deren Grossmütter getan haben. Und genau diese Grossmütter – respektive deren Konservierungsmethoden – sind heute wieder voll im Trend.
Neuer alter Trend: Fermentieren
Allen voran eine der ältesten aller Konservierungsarten: das Fermentieren. Landauf, landab werden Workshops angeboten. Fermentieren lässt sich alles, was roh gegessen werden kann. Sauerkraut oder der koreanische Kohlsalat Kimchi sind nur die bekanntesten Beispiele.
Das Fermentieren macht sich bestimmte Bakterien zunutze, die auf dem Gemüse heimisch sind: Milchsäurebakterien. Die werden so genannt, weil sie eine Säure bilden, die der deutsche Chemiker Carl Wilhelm Scheele 1780 in saurer Milch entdeckte.
Und so funktioniert es: Dem Gemüse wird Salz beigegeben. Dieses entzieht dem Gemüse das Wasser und setzt die Milchsäuregärung in Gang. Dabei bauen die Bakterien zur Gewinnung von Energie Zucker in Milchsäure um. Das saure Milieu wirkt konservierend – Keime, die das Lebensmittel verderben könnten, werden darin zerstört oder gehemmt.
Gleichzeitig verändert sich das fermentierte Lebensmittel in der Textur, im Geschmack und in den Nährwerten: Anders als zum Beispiel beim Einmachen werden keine hitzeempfindlichen Nährstoffe abgebaut. Im Gegenteil, es entstehen sogar neue Vitamine. So können Milchsäurebakterien beispielsweise Vitamine der B-Gruppe produzieren.
Downloads zur Sendung
Wie gesund sind fermentierte Lebensmittel?
Nicht nur diese Vitamine sind gut für den Körper. Die fermentierten Produkte sollen ganz grundsätzlich gesund sein, denn sie wirken positiv auf unseren Darm. So haben sie, ähnlich wie Ballaststoffe, das Interesse der Mikrobiom-Forschung geweckt. Eine aktuelle Studie zeigt: Fermentiertes peppt die Darmflora auf. Bei 36 Teilnehmenden, die häufig fermentierte Lebensmittel assen, war das Mikrobiom – also die Zusammensetzung der Darmbakterien – zehn Wochen messbar vielfältiger. Bestimmte Entzündungswerte sanken.
Das klingt vielversprechend. Viele Fragen bleiben jedoch noch offen. Zum Beispiel, wie anhaltend diese Effekte sind. Und können Kimchi & Co vor ernährungsbedingten Ess-Zivilisationskrankheiten schützen, wie teils spekuliert wird? Zum Beispiel den Bluthochdruck senken oder Übergewicht vorbeugen? Laut Elisabeth Eugster, Lebensmittel-Wissenschaftlerin an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften, fehlen dafür die Daten: «Es gibt bisher keine einheitlichen Ergebnisse, die das zeigen. Da fehlt die wissenschaftliche Grundlage.»
Auch ETH-Lebensmitteltechnologe Alexander Mathys warnt davor, die Erwartungen an den Nutzen fermentierter Lebensmittel für unsere Gesundheit zu hoch zu hängen: «Die Gesundheit wird von vielem beeinflusst, von der gesamten Diät und nicht nur von einem Produkt.»
Gerade Sauerkraut wird in der Schweiz oft pasteurisiert, also vorgekocht verkauft und meist nochmals länger erhitzt. Die Hitze aber zerstört die Milchsäurebakterien. Wer also von deren möglicherweise positiven Wirkung auf die Darmflora profitieren will, sollte fermentierte Produkte ungekocht geniessen.
Grundsätzlich gilt für alle Konservierungsmethoden: Die Behandlungen verändern die ursprünglichen Produkte. Teilweise gehen Nährstoffe verloren. Was nicht unbedingt tragisch ist, sagt Lebensmitteltechnologe Alexander Mathys. Man müsse immer Lebensmittelsicherheit und ernährungsphysiologische Qualität des Produkts gegeneinander abwägen. «Sichere Lebensmittel erfordern eine Behandlung, und die hat immer Vor- und Nachteile.»
Was ebenfalls für alle Konservierungsmethoden gilt: Wenn man sich an die wenigen Hygieneregeln hält, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Für Anfänger empfiehlt Alexander Mathys, zuerst nach Rezept zu konservieren und nach ersten Erfahrungen einfach immer mehr auszuprobieren.