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Mit Strom gegen die Epilepsie

Neuerdings werden in der Schweiz Epilepsiepatienten mit der Methode der tiefen Hirnstimulation behandelt. Patienten, die auf die bisherigen Therapiemöglichkeiten nur ungenügend ansprechen, sollen dank dem Hirnschrittmacher ihre Anfälle in den Griff bekommen.

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Ein Epilepsie-Anfall gleicht einem Gewitter im Gehirn: Ganze Gruppen von Nervenzellen (Neuronen) entladen sich ungeregelt im Gehirn – bis zu 500 Mal in der Sekunde. Normal sind rund 80 Entladungen pro Sekunde. Diese elektrochemischen Reize beeinflussen Drüsen, Muskeln und andere Nervenzellen und sind so der Impulsgeber für Gefühle, Gedanken und Handlungen. Genau dieser Prozess ist während eines Krampfanfalls gestört. Die Folge: Empfindungsstörungen, seltsame Gefühle und Verhaltensweisen, Muskelkrämpfe, Absenzen und Bewusstlosigkeit.

Dem Grossteil der Patienten gelingt es, ihre Anfälle mit Medikamenten in den Griff zu bekommen. In einzelnen Fällen verschafft auch ein chirurgischer Eingriff Linderung. Doch manche Patienten fallen durchs Raster. Sie sprechen auf die herkömmlichen Therapiemöglichkeiten nur ungenügend an. Ihnen könnte nun die «tiefe Hirnstimulation» helfen.

Hirnschrittmacher ordnet die Hirnaktivität

Die tiefe Hirnstimulation funktioniert mittels eines Hirnschrittmachers. Das Verfahren ist nicht neu: Bislang profitierten Patienten mit Parkinson oder anderen Bewegungsstörungen von dem Eingriff. Was vielen dieser Patienten seit den Neunzigerjahren half, wird seit einigen Jahren in den USA auch gegen Epilepsie eingesetzt, mit einem Unterschied: Anders als bei Parkinson-Patienten sind Epilepsie-Kranke während des Eingriffs nicht bei Bewusstsein.

Zwei feine Elektroden werden bis zum vorderen Thalamus geschoben - fernab des Hirngebiets, wo die Anfälle eigentlich entstehen. Doch hier, mitten im Gehirn, befindet sich die «Schaltzentrale» mit Verbindungen in Hirnregionen, wo epileptische Anfälle oft entstehen. Wird diese zentrale Stelle im Hirn über die Elektroden mit Strom stimuliert, können die Anfälle abnehmen oder sogar stoppen.

Eine grosse Multicenterstudie in den USA aus dem Jahr 2010 belegte eine Abnahme der Anfälle um knapp die Hälfte. Bei Patienten, denen die Elektroden zwar eingesetzt, aber nicht stimuliert wurden, sank die Anfallshäufigkeit nur um 14 Prozent. Zeigt die Stimulation die gewünschte Wirkung, können die Patienten mit der Zeit sogar ihre Medikamente absetzen.

Methode nun auch in der Schweiz angewendet

Im März 2012 hat ein interdisziplinäres Team des Universitätsspitals Zürich erstmals auch in der Schweiz einem Epilepsiepatienten einen Hirnschrittmacher im Thalamus implantiert. Mittlerweile wurden so schweizweit drei Patienten behandelt. Die Ärzte sind vorsichtig optimistisch: Die Patienten erlitten seitdem seltenere und schwächere Anfälle.

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