Vor ein paar Jahren noch war das Influenza-A-Virus H5N1 – umgangssprachlich die Vogelgrippe – in aller Munde. Heute hört man kaum noch davon.
Ist die Gefahr also vorüber? Nein, sagt Tiermediziner Christian Griot vom Institut für Virologie und Immunologie an der Universität Bern.
Das Thema Vogelgrippe sei noch lange nicht erledigt. «In den Daten der letzten Monate finden sich immer wieder neue Ausbrüche beim Tier aber auch beim Menschen.»
Forschung wieder aufgenommen
Vor ein paar Wochen bekamen nun die beiden Forscher Yoshihiro Kawaoka und Ron Fouchier grünes Licht für neue Experimente. Zuvor waren sie fünf Jahre lang mit einem Moratorium belegt gewesen.
Kawaoka und Fouchier, die in den USA und den Niederlanden forschen, hatten 2011 gezeigt, dass es nur eine winzige Änderung braucht, um das Virus sehr viel gefährlicher zu machen.
Das war eine Sensation, erinnert sich Pietro Vernazza Chefarzt und Infektiologe am Kantonsspital St. Gallen: «Sie haben gezeigt, dass mit einer einfachen Mutation theoretisch eine Veränderung so weit möglich ist, dass das Virus auch auf den Menschen übertragen werden kann.»
Vom Frettchen zum Menschen
Die Forscher zeigten 2011 in einem Tierversuch, dass das Virus mit einer kleinen Änderung den Sprung vom Vogel aufs Frettchen schafft. Die Befürchtung: Vom Frettchen zum Menschen ist es nicht mehr weit.
Zudem ist H5N1 für Mediziner ohnehin furchteinflössend: «H5N1 greift nicht nur das Lungengewebe an, sondern kann sich in allen Organen vermehren. Das unterscheidet es von anderen Grippeviren», sagt Vernazza.
Kawaoka und Fouchier hatten also genau dieses Virus noch gefährlicher gemacht. Es gab einen Aufschrei.
Was, wenn das veränderte Virus aus den Laboren entweichen würde? Was, wenn ein Bioterrorist die Forscher nachahmt?
Viele offene Fragen
Die Forscher argumentierten, ihre Arbeit könne helfen, bessere Grippemedikamente und bessere Impfungen zu finden. Das nutzte aber wenig: Sie mussten ihre Arbeit vorerst auf Eis legen.
Nun haben die zuständigen US-Behörden grünes Licht für weitere Forschung gegeben und Gelder für neue Experimente gesprochen.
Chefarzt Vernazza begrüsst diesen Schritt. Es gebe bei H5N1 noch viele offene Fragen. Etwa: Wann hilft eine antivirale Therapie? Wie rasch werden Resistenzen entwickelt? Welche Antikörper schützen vor einer Infektion?
Forscher äussern sich nicht
Kawaoka und Fouchier äussern sich im Moment nicht zu ihrer Forschung. Auch das US-Gremium, das ihre Forschung nun wieder unterstützt, macht kaum Details öffentlich. Strengere Auflagen müssen die beiden Virenforscher wohl erfüllen, mehr wird nicht verraten.
Diese Intransparenz stört Cédric Invernizzi, den zuständigen für Rüstungskontrolle im Bereich Biologie am Eidgenössischen Labor Spiez: «Es wird nicht kommuniziert, warum man es jetzt anders sieht als vor fünf Jahren, als das Moratorium ausgesprochen wurde.»
Die störende Intransparenz
Damit die Debatte um solche Forschung offen geführt werden könne, brauche es Transparenz. Es genüge nicht, sich mit dem Recht auf geistiges Eigentum herauszureden.
In Sachen Vogelgrippe sind noch viele Fragen offen: Aus Forschersicht, aus Medizinersicht und aus Sicht derjenigen, die versuchen vorherzusehen, wann eine Seuche wohl den Sprung vom Tier auf den Menschen schafft.
Zu hoffen bleibt, dass die Arbeit der Virenforscher Kawaoka und Fouchier dazu beiträgt, ein paar davon zu klären.