Ob bei den alten Ägyptern, bei den Römern oder noch im 19. Jahrhundert: Der Beruf der Amme war seit jeher ein einträgliches Geschäft. Für viele war der Beruf eine Chance, aus ärmlichen Verhältnissen zu entkommen. Denn Ammen lebten oft bei den wohlhabenden Familien, wurden gut genährt, gepflegt und genossen unter den Hausangestellten eine privilegierte Stellung.
Ammen waren in der feinen Gesellschaft ein Statussymbol und beliebt: Erstens konnte die Frau des Hauses schneller wieder schwanger werden, zweitens galt Stillen zu manchen Zeiten als unschickliche und ekelhafte Praktik, die Frauen schneller altern lasse. Mit dem Aufkommen des Milchpulvers in den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts verschwand der Beruf der Ammen allerdings nach und nach.
Muttermilch besser als Pulver-Milch
Nicht verschwunden ist bis heute der Bedarf nach fremder Muttermilch, vor allem für Frühgeborene. Dank den Fortschritten der Medizin und dem steigenden Alter der Mütter sind frühgeborene Kinder häufiger als früher. Da sie Saugen und Schlucken noch nicht koordinieren können, müssen sie über eine Magensonde ernährt werden.
Normalerweise wird dazu Pulvermilch verwendet, denn es dauert einige Tage, bis bei der Mutter die Milch einschiesst. Die Weltgesundheitsorganisation WHO allerdings empfiehlt, Muttermilch einer Pulvermilch zum Wohle des Kindes vorzuziehen – selbst wenn es fremde Milch ist. Denn diese schützt immer noch besser vor Infektionskrankheiten und ist leichter verdaulich. Langfristig soll sich unter anderem auch das Risiko für Allergien und Übergewicht reduzieren.
Milchbanken ersetzen Ammen
Heute haben Frauenmilchbanken die Ammen ersetzt: An sechs Schweizer Spitälern (Kantonsspital Aarau, Unispital Basel, Inselspital Bern, Kantonsspital Luzern, Kinderspital St. Gallen, Frauenklinik St. Gallen) wird gespendete Muttermilch gesammelt. Die Milch stammt von Müttern, die selbst früh geboren haben und deren Babies noch im Spital sind. Potenzielle Spenderinnen mit überschüssiger Milch werden von Fachpersonen ausgewählt. Wichtige Faktoren sind Gesundheitszustand, Essgewohnheiten und Lebenswandel der Frauen. Ein Bluttest ist unumgänglich, denn über die Milch können HIV, Geschlechtskrankheiten oder Hepatitis übertragen werden. Deshalb wird die Milch der Milchbanken im Labor zusätzlich auf Keime geprüft und pasteurisiert.
Über die Milchbanken haben in der Schweiz im letzten Jahr 80 Spenderinnen rund 815 Liter abgepumpt, die die 415 Empfänger-Kinder erhielten.
Milchtausch im Internet
Doch nicht nur Mütter von Frühgeborenen können oft nicht selber stillen. Manche Frauen mit termingeborenen Kindern können aus gesundheitlichen Gründen nicht stillen, etwa wegen einer Depression und Medikamenten, wegen übertragbaren Krankheiten wie HIV oder wegen einer Brustentzündung. Einige dieser Mütter wollen ihrem Kind trotzdem die Vorteile von Muttermilch zu Gute kommen lassen und suchen Spendermilch. Im Internet werden sie fündig: In der Facebookgruppe «Human Milk 4 Human Babies – Switzerland» bieten Mütter ihre überschüssige Milch tiefgefroren an. Anders als in Amerika ist es in der Schweiz aber nicht üblich, für Muttermilch Geld zu verlangen.
«Wer Milch bezieht oder verschenkt, sollte sich der Gefahren bewusst sein», ermahnt Kerri Frischknecht, Stillberaterin am Ostschweizer Kinderspital St. Gallen. «Milch ist eine lebendige Substanz. Es ist ähnlich, als würde man sich Blut abzapfen und jemand anderem schicken.» Wer fremde Muttermilch bezieht, solle unbedingt einen Bluttest der Spendermutter verlangen. Dieser kann auch beim Hausarzt gemacht werden. Zudem sei es wichtig, dass die Muttermilch unter hygienischen Bedingungen abgepumpt und richtig gekühlt wurde. Wenn eine Frau gewisse Medikamente genommen habe, krank ist, raucht oder Alkohol zu sich nimmt, sollte sie keine Milch spenden.