Tim Palmer ist Pathologe an der Universität Edinburgh. Er leitet das schottische Vorsorgeprogramm gegen Gebärmutterhalskrebs und ist Hauptautor einer neuen HPV-Impfstudie aus Schottland, die im renommierten «British Medical Journal» erschienen ist.
Palmer ist euphorisch: «Wir wissen jetzt, dass die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) praktisch sämtliche Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs verhindern kann», sagt er. Das sei das Beste, was er in 30 Jahren Krebsvorsorge erlebt habe.
Neun Jahrgänge untersucht
Den Nutzen der HPV-Impfung haben viele klinische Studien bereits bestätigt. Die Studie aus Schottland geht einen Schritt weiter: «Es ist die erste Studie, welche die Wirksamkeit an einer ganzen Bevölkerungsgruppe untersucht hat», erklärt Palmer.
Die Forscher nutzten die Daten von 20-jährigen Frauen aus neun Jahrgängen, die zwischen 2008 und 2016 frauenärztlich untersucht wurden. Innerhalb dieses Zeitraums waren die älteren Jahrgänge noch nicht gegen HPV geimpft. Von den mittleren Jahrgängen waren einige geimpft. Bei den jüngeren Jahrgängen hatten schon die meisten Frauen acht Jahre zuvor – im Alter von 12 und 13 Jahren – routinemässig die HPV-Impfung bekommen.
Tim Palmer und seine Mitarbeitenden wussten also von jeder untersuchten Frau zwei Dinge: den Impfstatus bei Papillomaviren – und das Resultat des Pap-Abstrichs, bei dem Zellen aus dem Gebärmutterhals auf Krebs und dessen Vorstufen untersucht werden. Diese Daten von nahezu 140’000 jungen Frauen zeigen: Die Krebsvorstufen der geimpften Frauen sind um rund 90 Prozent zurückgegangen.
Besser als auffällige Befunde
Dieser Effekt wurde mit einem Impfstoff erzielt, der nur gegen zwei Virenstämme – HPV 16 und 18 – schützt. Palmer vermutet, dass sich die Wirkung auf andere HP-Virenstämme ausgedehnt hat: HPV 31, 33 und 45, die ebenfalls krebserregend sind.
Von diesem Resultat zeigt sich auch Christoph Berger vom Kinderspital Zürich fasziniert: «Das alle Folgen einer HPV-Infektion um fast 90 Prozent zurückgegangen sind, ist sensationell», so der Infektiologe, der die eidgenössische Kommission für Impf-Fragen präsidiert.
Berger sieht in den Daten aus Schottland die Impfstrategie in der Schweiz bestätigt: «Die Studie zeigt eindrücklich, dass wir den Gebärmutterhalskrebs wirklich so angehen können.» Denn sich impfen zu lassen sei viel einfacher und angenehmer, als bei Vorsorgeuntersuchungen einen auffälligen Befund zu bekommen.
HPV-Impfung in globaler Sicht
Das findet auch Tim Palmer. Doch er hat eher eine globale Sicht auf das Problem. Vor allem im Fernen Osten und in Subsahara-Afrika ist Gebärmutterhalskrebs eine grosse Bürde.
Gemäss der Weltgesundheitsorganisation sterben jedes Jahr 300’000 Frauen an diesem Krebs – die allermeisten von ihnen in armen Ländern wie Malawi, Sambia oder Kenia.
Tim Palmer ist überzeugt: «Nur die HPV-Impfung kann dies ändern.» Sein Argument: Für teure Vorsorgeuntersuchungen haben die Menschen in diesen Ländern kein Geld. Doch Palmer sagt: Mit der Impfung wären 90 Prozent von ihnen ein für allemal geschützt.