Wir brauchen Sauerstoff. Ohne O2 könnten unsere Zellen die Nahrung nicht in Energie umwandeln. Jede unserer Körperzellen hat daher ein feines Gespür für Sauerstoff.
Das ist insbesondere dann wichtig, wenn ihnen die Luft auszugehen droht. Bei Sauerstoffmangel wirft der Körper daher eine ausgeklügelte Sauerstoff-Maschinerie an, um sich dem Mangel anzupassen.
Im Kampf gegen Krankheiten
Sauerstoffmangel kann akut sein, aber auch chronisch. Akut ist er etwa, wenn Spitzensportler an ihre Grenzen kommen oder wenn wir hohe Gipfel erklimmen. Chronisch ist der Mangel, wenn Menschen wegen eines Nierenleidens oder einer Blutarmut Sauerstoff nicht mehr gut genug nutzen können.
In allen Fällen spielt der so genannte Hypoxie-induzierte Faktor, kurz HIF, eine zentrale Rolle. Welche, das haben Peter J. Ratcliffe, Gregg L. Semenza und William G. Kaelin herausgefunden.
Mit ihrer Arbeit haben sie einen neuen Weg in der Bekämpfung von Krankheiten geebnet, bei denen der Sauerstoffgehalt in den Zellen von entscheidender Bedeutung ist. Dazu gehören neben Anämie (Blutarmut) auch Hirnschlag, Herzinfarkt oder Krebs.
Hormone und entdeckte Eiweisskoplexe
Semenza und Ratcliffe sind über das Hormon EPO zum HIF-Eisweiss gekommen. EPO ist ein Hormon, das die Produktion der roten Blutkörperchen anregt. Sie versorgen den Körper als winzige Sauerstofftransporter mit Energie. Das ist auch der Grund, weshalb sich manche Spitzensportler illegal mit EPO zu Höchstleistungen trimmen.
Gregg L. Semenza hat mit dem HIF wiederum einen Eiweisskomplex entdeckt, der eine Reaktion anstösst, viele Gene in Körperzellen reguliert und den Körper, wenn nötig, in Alarm und Aktivität versetzt: HIF kurbelt die EPO-Produktion an und sorgt ausserdem dafür, dass Blutgefässe wachsen und die Kraftwerke der Zelle auf sauerstofflosen Notbetrieb umstellen.
Viel Sauerstoff für Krebszellen
William G. Kaelin kam durch seine Krebsforschung zum Thema Sauerstoff. Er untersuchte das Gen VHL, das bei vielen Krebszellen eine wichtige Funktion hat. Peter J. Ratcliffe wiederum konnte zeigen, dass das VHL-Gen reguliert, wieviel HIF in einer Zelle vorhanden ist und ob bei Sauerstoffmangel eine Alarmreaktion ausgelöst wird oder nicht.
In Krebszellen ist oft eine ganze Menge HIF vorhanden. Auf diese Weise sorgen die Krebszellen dafür, dass sie besonders gut mit Sauerstoff versorgt werden, also schnell und zahlreich wachsen können.
Was wird jetzt daraus?
Künftige Medikamente oder Therapien werden entweder versuchen, die Sauerstoff-Maschinerie des Körpers anzukurbeln – etwa bei Blutarmut oder Schlaganfällen – oder zu drosseln, um beispielsweise sauerstoff-gierige Krebszellen zu ersticken.
In China ist eben das erste Medikament zugelassen worden, das auf der Arbeit der drei Medizin-Nobelpreisträger aufbaut. Es soll Patientinnen helfen, deren Nieren nicht genug EPO produzieren können.