Eigentlich ist die Lungenkrankheit Tuberkulose behandelbar: Gegen die Infektion mit dem Mycobacterium tuberculosis gibt es eine Standardbehandlung mit vier Antibiotika, welche die Bakterien bekämpfen; vorausgesetzt, die Patienten nehmen die Medikamente über sechs Monate konsequent ein.
Doch während Corona geriet Tuberkulose in vielen Ländern aus dem Blickfeld. Die Folge: Rund ein Drittel der Fälle wurde nicht diagnostiziert, stellt die Weltgesundheitsorganisation WHO fest. Zudem wurden gerade in den ärmeren Ländern viele Ressourcen, die zur Bekämpfung von Tuberkulose vorgesehen waren, für Covid-19 verwendet. Die WHO ist weit entfernt von ihrem Ziel, die Tuberkulose bis 2030 drastisch einzudämmen.
Ein Stigma der Armut
Ein wichtiger Faktor ist die Armut. Früher waren Europa und auch die Schweiz stark betroffen – heute sind es vor allem die ärmeren Länder des globalen Südens wie Indonesien, Pakistan oder manche Staaten Afrikas. Am meisten Tuberkulose-Fälle verzeichnet Indien.
Eng verbunden mit der Armut sei das Stigma durch Tuberkulose, sagt Christian Auer. Der Spezialist vom schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH) hat Erkrankte auf den Philippinen so erlebt: «Sie fühlen sich durch die Armut entwertet, und die Tuberkulose beschämt sie zusätzlich», sagt er. «Entsprechend lange dauert es, bis Betroffene ein Gesundheitszentrum aufsuchen und um Hilfe bitten.»
Solche Menschen seien bei der Diagnose oft sehr krank. Selbst wenn sie geheilt werden, bleiben sie anfällig für Reinfektionen, die oft tödlich enden. Public-Health-Spezialisten wie Christian Auer kommen zum Schluss: Das effektivste Mittel gegen TB wäre, die Armut zu lindern.
Auch medizinisch gibt es Möglichkeiten, effektiver gegen Tuberkulose vorzugehen. Zum Beispiel gegen Resistenzen, also Bakterienstämme, die unempfindlich sind für Antibiotika. Weltweit betreffen diese zwar nur drei Prozent der TB-Fälle, aber an manchen Orten ist das Problem gravierend. Vor allem Länder der ehemaligen Sowjetunion wie Georgien oder Kirgistan sind Hotspots. Die Mechanismen solcher Resistenzen besser zu verstehen, würde in diesen Ländern dazu beitragen, die Krankheitslast durch TB einzudämmen.
Auch bei einer verbesserten Diagnostik sieht die WHO viel Potenzial: Indem man nicht nur möglichst alle Krankheitsfälle erfasst, sondern auch Übertragungsketten und Übertragungsmuster identifiziert. Dafür stehen der Wissenschaft etliche neue Techniken zur Verfügung, darunter das «Whole Genome Sequencing» – die Analyse des gesamten Virusgenoms, wie man dies seit Covid-19 gut kennt. Das habe auch die epidemiologische Erfassung von TB revolutioniert, sind sich Forschende einig.
Schwierige Suche nach neuem Impfstoff
Ebenso wichtig ist die Prävention. Die Forschung sucht händeringend nach einem neuen Impfstoff. Zwar gibt es gegen TB die seit 100 Jahren eingesetzte BCG-Impfung (Bacillus Calmette-Guérin), doch diese wird nur an Neugeborene in Risikoländern verimpft.
Eine neue, wirksame TB-Impfung für Erwachsene zu entwickeln, ist nach Einschätzung von Fachleuten herausfordernd. «Es wird zwar investiert und experimentiert, auch mit der mRNA-Technik wie bei Corona», sagt Sébastien Gagneux vom Swiss TPH. «Aber ein TB-Bakterium ist sehr viel komplexer als Sars-CoV-2.» Bis zu einem neuen TB-Impfstoff sei es noch ein langer Weg.