Im Normalfall verteilen Nervenbahnen, die sich vom Gehirn aus durch das Rückenmark ziehen, die Signale durch ein verästeltes System im ganzen Organismus. Im Prinzip ist das etwa fingerdicke Rückenmark gut geschützt durch die umgebende Wirbelsäule. Bei schweren Unfällen und manchen Krankheiten jedoch wird es kritisch: Tumore können auf die Nervenbahnen drücken und die Datenvermittlung stören. Neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose können die reibungslose Weiterleitung von Reizen beeinträchtigen.
Bekannter aber sind Schäden durch äussere Einflüsse wie durch Stürze, Sport- und Autounfälle. Wird dabei die Wirbelsäule überstrapaziert, können sich Wirbel verschieben oder gar zerbersten. Das Rückenmark wird dann entweder mechanisch verletzt, oder es wird durch Schwellungen und Blutungen geschädigt.
Der Verletzungsort entscheidet
Nach ihrer Funktion lassen sich drei Gruppen von Nerven unterscheiden, die bei einer Querschnittlähmung unterschiedlich betroffen sein können:
- Eine Gruppe ist für die Motorik zuständig. Diese Nerven gehen vom Gehirn an die Muskulatur.
- Eine zweite Gruppe überträgt Sinnesreize wie Kälte, Hitze oder Schmerz ans Gehirn.
- Eine dritte Gruppe von Nerven beeinflusst die Funktion innerer Organe. Diese Nerven steuern zum Beispiel die Entleerung von Blase und Darm, ermöglichen die Erektion beim Mann oder regulieren die Herzfrequenz.
Grundsätzlich ist der Körper vom verletzten Rückenmark-Segment an abwärts betroffen. Entscheidend für das Ausmass der körperlichen Einschränkungen ist, wo sich die Schädigung genau befindet und ob ein Rückenmark-Abschnitt ganz oder nur teilweise stillgelegt ist. Je nach Lage der Verletzung unterscheidet man grob zwischen Paraplegikern und Tetraplegikern.
- Bei der Paraplegie ist das Rückenmark im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule geschädigt. Je nach Höhe der Schädigung betreffen die Lähmungen die Beine und allenfalls auch den Rumpf. Die Störungen können auch das vegetative Nervensystem und damit die Verdauung (Entleerungsstörungen) und die Blasenentleerung (Inkontinenz) sowie das Sexualsystem beeinträchtigen. Je höher die Verletzung liegt, kann auch die Temperatur-, Blutdruck- und Herzfrequenzregulation gestört sein.
- Dies kann auch bei der Tetraplegie der Fall sein. Von Tetraplegie spricht man, wenn das Rückenmark auf der Höhe der Halswirbelsäule geschädigt ist. Dadurch sind Muskulatur und Sensibilität im Rumpf, den Beinen, Armen und Händen gestört. In besonders schweren Fällen ist auch die Atmung betroffen.
So viel die heutige Medizin bereits kann: Die Nerven des Rückenmarks sind bis heute nicht «reparierbar». Ihre Nervenhüllen enthalten wachstumshemmende Substanzen. Nur periphere Nerven, die ausserhalb von Gehirn und Rückenmark liegen, können nachwachsen.
Langzeitfolgen
Nicht nur die Lähmungen selbst sind belastend. Auch der Ausfall von Gefühlen für Wärme, Kälte oder Schmerz können für Betroffene gefährlich sein. Durch die Bewegungseinschränkungen steigt das Thrombose-Risiko. Und nicht zuletzt müssen Paare, die sich plötzlich mit einer Querschnittlähmung konfrontiert sehen, auch lernen, ihre Sexualität neu zu gestalten. Denn sehr häufig können männliche Betroffene keine Erektion mehr bekommen oder nicht mehr ejakulieren. Weibliche Betroffene müssen lernen, mit Empfindungsstörungen oder trockenen Schleimhäuten umzugehen.
Unangenehm können auch unkontrollierbare Muskelkrämpfe (Spastiken) sein, die zum Teil so plötzlich auftreten, dass sie zu schweren Verletzungen führen können, wie beispielsweise gebrochene Zehen, wenn ein Bein unkontrolliert gegen ein hartes Hindernis schlägt.
Die gute Nachricht: Komplette Ausfälle werden heute immer seltener - der guten medizinischen Versorgung nach Unfällen sei Dank. Grosse Blessuren, die das Rückenmark schädigen, werden heute schnell versorgt, bevor sie das Rückenmark dauerhaft schädigen. So können Funktionen erhalten werden oder fallen nur teilweise aus. Lähmungen treten dann nur partiell auf, zum Beispiel an einem Bein oder an einzelnen Teilen von Rumpf und Gliedmassen.