Die «Pille» im Kreuzfeuer der Kritik: Nachdem in den USA über 10'000 Frauen gegen Pharmafirmen geklagt haben, beschuldigen nun auch 30 Französinnen die Hersteller von Antibabypillen, für erhebliche gesundheitliche Schäden wie Schlaganfälle, Lungenembolien und Thrombosen verantwortlich zu sein.
In der Schweiz war es der Fall der jungen Céline, der Aufsehen erregte: Kurz nach der Einnahme einer Kombi-Pille der 4. Generation kam es zu einem Blutgerinnsel , das zu einer Lungenembolie mit Herzstillstand und bleibenden Hirnschäden führte. Seither lebt die heute 20-Jährige im Rollstuhl.
Vorteile überwiegen in der Wahrnehmung
Den Negativ-Schlagzeilen zum Trotz greifen in der Schweiz 400'000 Frauen täglich zur Pille, meist zu einer der 3. und 4. Generation. Häufig geht es dabei nicht um Empfängnisverhütung: Die enthaltenen Hormonkombinationen von Östrogenen und Gestagenen (wie Drospirenon und Cyproteronacetat) wirken auch auf die Schönheit. Sie unterdrücken die Produktion der männlichen Hormone und verbessern Akne, starke Körperbehaarung und hormonell bedingten Haarausfall.
Der Nachteil dieser Pillen ist das erhöhte Risiko für venöse Thrombosen/Thromboembolien. «Puls»-Recherchen zeigen jedoch: Das nehmen die jungen Frauen für ihre Schönheit gerne in Kauf. Immerhin liegt das Risiko einer Trombose bei weniger als einem Promille - dreimal wahrscheinlicher ist es laut ASTRA-Statistik, hierzulande im Strassenverkehr in einen Unfall mit Verletzungsfolgen verwickelt zu werden.
Abklärung und Aufklärung
Laut Gynäkologin Ruth Draths von der neuen Frauenklinik im Kantonsspital Luzern gibt es gute Gründe dafür, die Pille ohne Verhütungsabsichten anzuwenden. Bei starker Akne leiden die Frauen so stark, dass es verhältnismässig ist, die umstrittenen Pillen einzunehmen. Unter der Bedingung, dass sich die Frauen der Gefahren bewusst sind, welche die Pillen bergen. Auch bei Menstruationsschmerzen verschaffen die Kombi-Pillen Linderung. Geht es aber um optische, nicht medizinische Veränderungen am Körper - z.B. grössere Brüste oder schlankere Beine -, ist Vorsicht geboten. Solche Einnahmegründe sollten mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt besprochen werden.
Ebenfalls wichtig ist, dass junge Frauen, bevor sie in die Sprechstunde kommen, wissen, ob eine Thrombose in ihrer Familie schon einmal vorgekommen ist. Bei Krankheiten wie Diabetes, Migräne, Epilepsie, schwere Herz- oder Nierenerkrankungen, vorausgegangene Venenentzündungen, Krampfadern, Brustkrebs in der Familie ist ebenfalls Vorsicht geboten.
Sich der Risiken bewusst sein
Die negativen Schlagzeilen von betroffenen Frauen in Frankreich, den USA und der Schweiz verunsichern die jungen Frauen zwar, die umstrittenen Pillen nehmen sie aber weiterhin. Trotzdem zwingt es sie, die positiven gegen die negativen Nebenwirkungen abzuwägen. Das Risiko wird durch die Schlagzeilen real und kann nicht mehr ausgeblendet werden: Erkrankt eine Frau an einer Thrombose, trifft es sie zu hundert Prozent.
Und schliesslich gibt es immer noch die Antibaby-Pillen der 2. Generation. Diese gelten als Goldstandard und reduzieren die Gefahr um die Hälfte. Mehr Sicherheit also auf Kosten der Attraktivität.