Eben noch auf den Ski, der Sturz, es knallt im Knie, das Kreuzband reisst. So enden jährlich rund 4000 Skiabfahrten in der Schweiz. Dies, obwohl die Skiausrüstungen immer besser werden. Beim alpinen Skisport ist besonders das Knie von Verletzungen betroffen – bei gut jedem dritten Skiunfall. Häufig wird dabei das vordere Kreuzband beschädigt.
Dass das Kreuzband nicht fürs Skifahren gemacht ist, weiss Aljoscha Hermann, Forscher für Sportgeräte und Sportmaterialien an der Technischen Universität München. Er und sein Team erforschen die Kräfte, welche beim Skifahren auf das vordere Kreuzband einwirken.
Dafür haben sie ein europaweit einzigartiges Modellknie nachgebaut, inklusive Muskelsimulation. Jede Bewegung, jede Kraft kann damit genaustens erfasst und simuliert werden.
Unterschiedliche Haltung, unterschiedliche Krafteinwirkung
Das Modellknie zeigt: Allein ein gestrecktes Knie ohne weitere Einwirkungen belasten das Kreuzband. «Beim gestreckten Bein, haben wir schon 100 Newton Zuglast auf dem Band», sagt Aljoscha Hermann. Das entspricht einer Kraft, als würde man 10 Kilo am Kreuzband aufhängen. Wird der Fuss zusätzlich gedreht – als ob man aufrecht fahren würde und nach hinten schaut – dann steigt die einwirkende Kraft schnell an.
Anders verhält sich die Krafteinwirkung beim Anwinkeln: Beugt Aljoscha Hermann sein Kniemodell auf einen Winkel von 30 Grad, nimmt die Zuglast auf das Kreuzband auf knapp 50 Newton ab.
Wird das Knie noch stärker gebeugt – auf 60 Grad – nimmt die Spannung vom Kreuzband komplett ab. «Jetzt ist die Belastung auf das Kreuzband praktisch null», sagt der Forscher. Beugungen über 90 Grad geben wieder mehr Belastung aufs Kreuzband.
Knie beugen heisst Kreuzband schützen
Die Erkenntnis der Forscher aus München: Wenn man mit gebeugten Knien fährt, entlastet man das Kreuzband. «Also immer konzentriert fahren, mit einem 30- bis 60-Grad-Winkel», rät Aljoscha Hermann. «Wenn man das beachtet, ist man schon relativ sicher.» Das bedingt jedoch, dass man für diese Kniestellung auch genug Muskeln hat und genug fit ist.
Wer hingegen aufrecht Ski fährt, langsam müde ist und die Muskeln nicht mehr anspannt, fährt riskant: Gibt es dann noch eine Drehung aufs Knie und erwischt ein unvorhergesehenes Schneeloch oder eine Bodenwelle, könnte das allein schon für ein Kreuzbandriss reichen.
Auch auf die Skibindung kommt es an
Die herkömmlichen, rein mechanischen Skibindungen werden jedoch dem Knie nicht gerecht. Deshalb ist es für die Forschergruppe um Aljoscha Hermann in München klar: Es ist Zeit für eine mechatronische Skibindung.
Im Labor wie auch auf der Piste sammeln sie zurzeit Daten für die Grundlagenforschung, damit eine solche mechatronische Skibindung entwickelt werden kann. Denn es sollte nicht nur die Kraft gemessen werden, welche auf die Bindung drückt, wie das heute der Fall ist. In dem neuen Konzept werden die Messdaten unterschiedlicher Sensortypen fusioniert.
Die Sensoren messen kontinuierlich die Geschwindigkeit des Skifahrers, die Kniewinkel, die Kräfte, welche auf den Fuss des Fahrers wirken, sowie die Aktivität der wichtigsten Muskelgruppen des Beins. Anhand dieser Daten berechnet ein Algorithmus in Echtzeit die Verletzungswahrscheinlichkeit des Skifahrers. Die Bindung reagiert und passt die Auslöseschwelle an oder bei akuter Verletzungsgefahr löst sie aus und gibt den Fuss frei.
Bis das System marktreif und sicher ist, ist die beste Prävention vor einem Kreuzbandriss: Muskelaufbau, Einwärmen und vor allem: Knie anwinkeln.