In ihrem Kopf herrscht Dauerlärm. Sie kommen nie zur Ruhe. Da sind ständig innere Stimmen, die Befehle geben, kommentieren oder miteinander sprechen. Etwa ein Viertel aller Menschen mit einer schizophrenen Psychose hören chronisch Stimmen oder leiden unter anhaltenden Wahnvorstellungen. Trotz Medikamenten bleibt es laut in ihrem Kopf. Nichts scheint zu helfen gegen ihre psychotischen Symptome.
Viele Betroffene resignieren und auch Fachleute geben die Hoffnung auf. Denn die Patienten versprechen keine schnellen therapeutischen Erfolge. Entsprechend mangelhaft ist ihre Betreuung in der Routineversorgung. In der gängigen Viertelstunden-Konsultation bleibt kein Raum für das subjektive Erleben des Patienten und keine Zeit für seine Erklärung der veränderten Wahrnehmung. Was den Betroffenen bleibt, ist eine einseitig auf Medikamente ausgerichtete Behandlung und das Stigma, ein hoffnungsloser Fall zu sein.
Es gibt Hoffnung
Doch das müsste nicht so sein. In den vergangenen fünf bis zehn Jahren wurden verschiedene Ansätze für die psychotherapeutische Arbeit mit chronisch psychotischen Patienten entwickelt. Studien zeigen, dass die Ansätze erfolgreich sind und selbst Betroffene mit einer langen Krankheitsgeschichte gut darauf ansprechen. Der Basler Psychose-Spezialist Roland Vauth setzt sich in der Praxis und in Fachartikeln für diesen ganzheitlichen Ansatz ein. Jeder zweite Patient könne von der psychotherapeutischen Behandlung profitieren. Der Leiter der Basler Psychose-Ambulanz erlebt immer wieder überraschende Wendungen: «Patienten, denen wir lange Zeit nicht helfen konnten, sind plötzlich bereit, sich in der Therapie zu öffnen. Jemand, der schon im Pflegeheim lebte, geht wieder mit seinem Hund spazieren. Ein junger Patient, der nach einem Jahr Klinikaufenthalt mit schweren Symptomen entlassen wurde, studiert heute wieder.»
Wie die Selbsthilfegruppen von Betroffenen betonen auch die psychotherapeutischen Fachleute den Wert von Selbsthilfe-Strategien. Sie fragen ihre Patienten, was ihnen im Umgang mit ihren Stimmen hilft. «Die Patienten sind die Experten ihres Problems. Wir Verhaltenstherapeuten sammeln die Tipps der Betroffenen und geben sie an andere Betroffene weiter», sagt Roland Vauth. Doch viele Patienten tun sich schwer damit, überhaupt über ihr Stimmenhören zu sprechen. Sie fürchten die Stigmatisierung durch ihre Umwelt; sie fürchten aber oft auch die Stimmen selbst, wenn diese ihnen drohen und ihnen verbieten, über sie zu sprechen. Um solche Ängste zu überwinden, müssen die Betroffenen erst einmal Vertrauen zu ihrer Therapeutin bzw. zu ihrem Therapeuten gewinnen.
Mut fassen
In der Psychotherapie geht es ganz grundlegend darum, dass die Patienten wieder Mut fassen und selbstbewusster werden im Umgang mit ihren Stimmen. Die Patientinnen und Patienten lernen, sich gegen bedrohliche und behindernde Stimmen zu wehren und erlangen so Schritt für Schritt wieder mehr Selbstbestimmung in ihrem Leben. Manchmal hilft ein iPod, die Stimmen in den Hintergrund zu drängen. Manchmal treten die Betroffenen in einen Dialog mit ihnen und wehren sich gegen abwertende Kommentare oder selbst- und fremdgefährdende Befehle. Der Heilungserfolg ist kein Alles- oder Nichts-Prozess. Die Stimmen verschwinden oft nicht vollständig und Verluste werden in der Therapie nicht zwangsläufig rückgängig gemacht. So nimmt denn die Trauerarbeit einen zentralen Teil in der Psychotherapie von Menschen mit chronischen psychotischen Symptomen ein. Es gilt, die Zerstörungen zu betrauern, die die Krankheit angerichtet hat: zerbrochene Beziehungen und unerfüllte Berufswünsche etwa.
Untersuchungen zeigen, dass diese Form der emanzipatorischen Psychotherapie gute Erfolge zeigt. Jeder zweite Patient, der sich auf die Therapie einlassen kann, erlebt eine Linderung seiner Symptome und kann seine persönlichen Lebensziele wieder besser verfolgen. Dennoch arbeitet nur eine Minderheit der psychiatrischen und psychologischen Behandler mit diesen neuen Methoden. Der Leiter der Basler Psychose-Ambulanz Roland Vauth findet diese Zurückhaltung schlicht beschämend.