Wir benützen unsere Stimme täglich, um uns mitzuteilen. Die Stimme ist auch ein auffälliger Teil der persönlichen Ausstrahlung, denn sie ist von Mensch zu Mensch verschieden. Die Tonhöhe des Grundtons der menschlichen Stimme liegt für die männliche Stimme bei rund 125 Hertz, für die weibliche bei etwa 250 Hertz. Kleine Kinder haben eine Tonlage um 440 Hertz.
Die Ursache für diese Unterschiede liegt im Kehlkopf: Ist der Kehlkopf grösser, sind auch die Stimmbänder dicker und länger und die Frequenz der Stimme somit tiefer.
Viele Berufsgruppen sind auf eine gesunde Stimme angewiesen: Lehrer, Moderatoren, Pfarrer, Sänger... Stimmstörungen wie chronische Heiserkeit beeinträchtigen den Alltag sehr. Oft ist eine Fehl- oder Überbelastung beim Sprechen die Ursache, manchmal steckt aber auch eine ernsthafte Erkrankung dahinter.
Wie entsteht die Stimme?
Um zu verstehen, wie die Stimme entsteht, schlüpft man in Gedanken am besten in den Mund und begibt sich an die Stelle, wo der Rachen in die Luftröhre übergeht. Hier sitzt der Kehlkopf, der bei vielen Männern als Adamsapfel gut zu sehen ist.
Der Kehlkopf besteht aus beweglichen Knorpeln. Er unterstützt die Atmung und sorgt dafür, dass beim Essen keine Speisen in die Luftröhre geraten. In den Kehlkopf sind auch die beiden Stimmbänder eingespannt, die bei Fachleuten «Stimmlippen» heissen. Die Stellung der Stimmlippen verändert sich beim Atmen und Sprechen. Beim Ein- und Ausatmen stehen sie offen. Beim Sprechen oder Singen gehen sie zusammen und verschliessen die Luftröhre fast vollständig. Jetzt bringt der Luftstrom die Stimmlippen in Schwingung. Das funktioniert ähnlich, wie wenn man zwei Blätter aufeinander legt und durch Blasen zum Flattern bringt. Der im Kehlkopf produzierte Kehlkopfklang entfaltet sich im Rachen-, Mund- und Nasenraum weiter. Je gespannter die schwingenden Stimmlippen sind, desto höher klingt eine Stimme.
Wie erkenne ich eine Stimmstörung?
Ist der Stimmklang beeinträchtigt oder ist eine Stimme nicht mehr belastbar, liegt eine «Stimmstörung» vor.
- Hauptsymptom einer Stimmstörung ist die Heiserkeit. Heiserkeit ist ein Sammelbegriff für alle abnormen Stimmklänge. Auffällige Klangmerkmale sind eine kratzende, krächzende, rasselnde, knarrende, dumpfe, flatternde, doppeltönige, zittrige, raue, hauchige, dünne, spröde, gepresste, ausdruckslose Stimme, sowie eine zu laute oder zu leise, zu hohe oder zu tiefe Stimme.
- Das zweite Hauptmerkmal der Stimmstörung ist eine eingeschränkte, mangelhafte Belastbarkeit. Pro Tag sollte man im Schnitt sechs Stunden problemlos sprechen können.
- Weitere Symptome können sein: Schluckzwang, Trockenheit, Schleim, Druckgefühl, Hustenreiz, Klossgefühl, Brennen, Schmerzen, ein Zwang zum Räuspern, Ermüden und schliesslich Versagen beim Sprechen und das Kippen der Stimme.
Körperliche Ursachen
Manche Stimmstörungen haben organische, also körperliche Ursachen. Diese können direkt im Kehlkopfbereich liegen, oder es handelt sich um Krankheiten wie Schilddrüsenerkrankungen oder chronische Bronchitis, die indirekt die Stimme beeinträchtigen. Viele Stimmprobleme haben aber keine körperliche Ursache. Fachleute sprechen dann von «funktioneller Stimmstörung». Die Übergänge zwischen organischen und funktionellen Störungen sind fliessend. Oft sind beide Bereiche betroffen und stehen in einer Wechselwirkung zueinander.
- Bei einer akuten Kehlkopfentzündung ist die Ursache meistens eine virale Infektion der oberen Luftwege. Die Symptome manifestieren sich dann in geröteten, geschwollenen Stimmlippen und einer heiseren, rauen Stimme. Die Heiserkeit verschwindet üblicherweise mit dem Abklingen des Infektes innerhalb von ein bis zwei Wochen folgenlos. Wichtigste Massnahme ist die Schonung der Stimme – also konsequentes Schweigen. Auf keinen Fall Flüstern! Die Flüsterstimme führt dazu, dass der Kehlkopf fehlbelastet wird. Besser ist stimmhaftes, leises Sprechen, ohne Druck. Überbelastung bei akuter Entzündung kann die Kehlkopfmuskulatur im schlimmsten Fall anhaltend schädigen.
- Eine chronische Kehlkopfentzündung entsteht vor allem durch Rauchen, Alkoholkonsum, staubige Luft, sowie Erkrankungen der oberen Atemwege wie chronische Bronchitis.
- Zu einer Lähmung des Kehlkopfes oder der Stimmlippen kommt es durch eine Schädigung des Nervus vagus und seiner Äste, zum Beispiel durch Operationen, nach einer künstlichen Beatmung, durch Tumore, Infektionen oder neurologische Erkrankungen. Je nach Region, die betroffen ist, reichen die Folgen vom Verlust der Singstimme bis zu Atemnot, wenn nämlich beide Stimmlippen gelähmt sind. Eine einseitige Stimmlippenlähmung kann mit Stimmtherapie oder durch chirurgische Massnahmen behandelt werden.
Auch Stimmlippen lassen sich liften
In den USA zeichnet sich seit 2010 ein neuer Trend ab: «Voice Lifting» bei älteren Menschen, deren Stimmbänder nicht mehr ganz so straff sind, worunter dann die Stimme leidet. Die Idee stammt aus der Schönheitschirurgie: Ähnlich wie «normale» Lippen, können auch Stimmlippen aufgespritzt werden (die Rede ist dann von «unterfüttern»), in diesem Fall mit Eigenfett oder Hyaluronsäure.
Sinn und Zweck des 15-minütigen Eingriffs ist, dass die beiden Stimmband-Muskelstränge wieder komplett schliessen können. Der Nachteil der genannten Füllmaterialien ist allerdings, dass sie innerhalb von sechs Monaten wieder abgebaut sind. Für einen bleibenden Effekt setzen spezialisierte Stimmärzte (Phoniater) deshalb entweder ein Implantat von aussen in den Kehlkopf ein oder unterfüttern die betroffene Stimmlippe mit Flüssig-Silikon. Mit beiden Techniken kann die betroffene Stimmlippe wieder so platziert werden, dass ein vollständiger Stimmlippenschluss erreicht wird und die Stimme wieder sonor klingt.
In der Schweiz wird dieser Eingriff vorerst nur bei medizinischer Indikation gemacht, etwa wenn die Stimmlippe durch einen Tumor oder eine Operation gelähmt ist.
Funktionelle Stimmstörungen
Liegt keine organische Ursache vor, spricht man von einer «funktionellen Stimmstörung». Sie äussert sich meistens in einem «Zu viel» oder «Zu wenig» und trifft besonders bestimmte Berufsgruppen und Knaben im Vorschulalter. Vermutlich spielen verschiedene Ursachen bei der Entstehung eine Rolle: Veranlagung, allgemeine Verfassung oder Sprechgewohnheiten. Stimmliche Überbelastung kann mit der Zeit zu organischen Veränderungen an den Stimmlippen führen – zu Knötchen und Polypen.
Überanstrengung ist eine typische Ursache von Berufsstimmstörungen. Häufig betroffen sind Lehrer, Moderatoren, Sänger, Jodler, Priester, Politiker und Schauspieler. Schuld ist meist eine Über- und Fehlbeanspruchung der Stimme und ein zu lautes und zu langes Sprechen mit ständigem Abweichen von der persönlichen Sprechstimmlage. Typische Symptome sind zunehmende Heiserkeit nach zwei- bis dreistündigem Sprechen, Zwang zum Räuspern, Trockenheitsgefühl und Schmerzen im Rachenraum. Auch Berufsstimmstörungen können zu organischen Veränderungen wie Knötchen und Polypen führen.
Und schliesslich können sich auch psychischer Stress und belastende Lebensereignisse auf die Stimme auswirken und zwar bis hin zu völligem Stimmverlust. Betroffene äussern sich nur noch mit tonlosem Flüstern. In so einem Fall ist eine Psychotherapie zu empfehlen.
Wie entstehen Stimmband-Knötchen und -Polypen?
Knötchen und Polypen sind meist die Folge von Fehlbelastungen. Typisch ist eine raue, behauchte und gepresste Stimme mit hohem Luftverbrauch und rascher Ermüdung.
- Stimmlippenknötchen treten beidseitig auf und bilden sich an der am meisten mechanisch beanspruchten Stelle der Stimmlippen (Schrei- oder Sänger-Knötchen). Es handelt sich um Verdickungen am Stimmlippenrand. Mit logopädischer Stimmtherapie kann man eine Rückbildung der Knötchen erreichen. Dies setzt aber Geduld und Motivation voraus.
- Polypen sind gutartige Schleimhaut-Wucherungen, die in den meisten Fällen einseitig auftreten. Im Unterschied zu den Knötchen zeigen sie vielfältige Bilder. Die Ursache zur Entstehung von Polypen ist weiterhin unklar. Auslöser können aber nebst stimmlicher Überbelastung zusätzlich entzündliche Prozesse wie virale Infekte der oberen Luftwege sein. Knötchen und Polypen schränken die Schwingungseigenschaften der Stimmlippen ein. Polypen sollen grundsätzlich chirurgisch entfernt werden. Um die Originalstimme wieder zu erlangen, sollte im Anschluss an die OP ebenfalls eine logopädische Stimmtherapie stattfinden.
Wo und wie werden Stimmstörungen abgeklärt und behandelt?
Jede Stimmstörung, die länger als drei Wochen anhält, muss abgeklärt werden. Auf die Stimme spezialisierte Phoniater oder HNO-Ärzte stellen zuerst fest, ob die Stimmstörung eine organische Ursache hat. Kehlkopfspiegelungen sowie stroboskopische Untersuchungen des Schwingungsverhaltens der Stimmlippen zeigen organische und funktionelle Auffälligkeiten und ermöglichen die Früherkennung von Tumoren auf den Stimmlippen.
Ein logopädischer Stimmbefund gibt weitere Hinweise zum Ausmass der Stimmstörung.
Die Behandlung ist oft mehrgleisig. So wird ein Polyp zuerst chirurgisch abgetragen. Anschliessend empfiehlt sich aber zusätzlich eine logopädische Therapie, um Fehlfunktionen zu überwinden und Rückfälle zu verhindern.