Schokolade, Glacé, Fruchtjoghurt – eins haben diese Lebensmittel gemeinsam. Sie alle enthalten Zucker. Davon essen Schweizerinnen und Schweizer jede Menge, durchschnittlich 110 Gramm pro Tag. Das ist mehr als doppelt so viel wie die WHO empfiehlt.
Die süsse Versuchung lockt überall, und widerstehen ist kaum möglich. Das Verlangen nach Zucker wurde uns quasi in die Wiege gelegt. Schon mit der Muttermilch lernen wir: Süss schmeckt herrlich und nährt.
Nicht nur das, Zucker beeinflusst auch unsere Psyche. «Zucker hat eine wichtige Aufgabe im Umgang mit Stress und belastenden Situationen», sagt Psychotherapeutin Simone Munsch. Denn Zucker drosselt die Ausschüttung von Stresshormonen, das führt zu einer raschen Beruhigung. Dieselben Mechanismen, lösen auch Drogen aus. Kein Wunder kann Zucker zu Sucht und Abhängigkeit führen. Entsprechend fällt es schwer, vom Zucker wegzukommen.
Plötzlicher Verzicht mit Folgen
Entzugserscheinungen seien keine Seltenheit, weiss Munsch: «Beim Entzug von Zucker, wenn man quasi von hundert auf null zurückfährt, kann es passieren, dass man genau jene Empfindungen hat, die dazu geführt haben, Zucker zu essen.» Der Stress nimmt zu, man kann unter Schlaflosigkeit oder Nervosität leiden. Sogar Schmerzen sind möglich.
Am Tag zwei bin ich mit Kopfschmerzen aufgewacht.
Das erlebte auch Sportlehrerin Sandrine Benz: «Am Tag zwei bin ich mit Kopfschmerzen aufgewacht und hatte den ganzen Tag Kopfschmerzen. Ich war auch etwas übel gelaunt.» Benz versucht gemeinsam mit drei anderen Probanden im Zuckerexperiment der TV-Sendung «Puls», eine Zeit lang auf Zucker zu verzichten.
Die Gründe der Teilnehmer, so ein Experiment zu wagen, sind divers: Schlechte Angewohnheiten ändern, Übergewicht reduzieren, schlechte Blutwerte aufbessern oder Anzeichen für Frühdiabetes abmildern.
Regeln für zuckerfreie Kost
Für jene, die wie Sandrine Benz Ihren Zuckerkonsum drosseln möchten, reicht es nicht, nur auf Süsses zu verzichten. Auch in verarbeiteten Lebensmitteln wie Saucen, Fruchtjoghurt oder Essiggurken sind reichlich versteckte Zucker vorhanden. Für die Ernährungsberaterin Melanie Sprenger genügt ein Blick auf die Inhaltsangaben: «Steht der Zucker unter den ersten zwei oder drei Positionen auf der Zutatenliste, empfehle ich es wegzulassen.
Doch enthalten nicht auch Früchte Fruchtzucker? Und Brot, Kartoffeln oder Teigwaren Stärke, die aus aneinandergereihten Zuckermolekülen besteht? Sind auch diese Zucker zu vermeiden, wenn man über eine längere Zeit seinen Zuckerkonsum senken will?
«Kohlenhydrate ganz wegzulassen, würde ich nie empfehlen», rät Melanie Sprenger. Aber Zucker in Form von Stärke wie Teigwaren, Kartoffeln oder Brot soll reduziert werden. Für die Teilnehmer des Experiments gilt: keine Süssigkeiten, keine Süssgetränke und keine Fruchtsäfte mehr. Früchte liegen wegen des Fruchtzuckers höchstens zwei Portionen am Tag drin.
Ausserdem ist es wichtig, sich auf drei Mahlzeiten pro Tag zu beschränken. Isst man nur ein oder zwei Mal, ist die Tendenz höher, zwischendurch noch einen Snack zu verzehren. Und wer viel Süssigkeiten isst, verzichtet im Gegenzug oft auf gesündere Nahrungsmittel wie Gemüse oder länger sättigende Kohlenhydrate.
Umsetzung mit Aha-Effekt
Diese Regeln umzusetzen, war für die Probanden nicht einfach. Vor allem der Anfang vom Zucker-Entzug fiel allen schwer. Den einen fehlte manchmal irgendwas, andere waren unruhig oder hatten zwischendurch Lust auf Süsses.
Für Sandrine Benz hat sich das Weglassen von Zwischenmahlzeiten sogar auf den Alltag ausgewirkt. Kochen ist wieder angesagt. «Ich habe bemerkt, dass nicht nur mein Schokolade-Ess-Verhalten, sondern die ganze Alltagsernährung entgleist ist», sagt sie. Zum ersten Mal seit zwei Jahren schafft sie es wieder, die empfohlenen fünf Portionen Früchte und Gemüse pro Tag zu essen.
Positive Effekte sind bereits nach zwei Wochen spürbar: Bei den einen purzelt das Gewicht, andere schlafen besser.
Und die Aussichten sind noch besser: Sämtliche Folgen, die durch übermässigen Zuckerkonsum entstanden sind, etwa zu viel Körperfett, Bauchfett, Leberverfettung, Bluthochdruck oder selbst Diabetes, können bis zu einem gewissen Grad durch Zuckerverzicht wieder rückgängig gemacht werden. «Es gelingt zwar nicht immer, das mit Lebensstilveränderungen ganz rückgängig zu machen», sagt Philipp Gerber, Stoffwechselexperte am Unispital Zürich. «Aber es ist sehr vieles möglich.»