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Tabuthema Stuhlgang Wenns klemmt: Was hilft bei Verstopfung?

Wenn es auf dem WC nicht klappt, tun wir uns oft schwer, darüber zu reden. Dabei heisst «reden» auch «befreien». Denn es gibt häufig gute Therapien, um Darmprobleme wie Verstopfung in den Griff zu kriegen. Wir brechen das Tabu und geben Tipps für einen angenehmen Stuhlgang.

Verstopfung ist ein weit verbreitetes Problem. Im Durchschnitt gehen Fachleute von 15 Prozent aus, die in der erwachsenen Bevölkerung in irgendeiner Form betroffen sind – in der Schweiz dürfte es sich also um deutlich mehr als eine Million Menschen handeln.  

Klar ist: Nicht alle leiden gleich und es gibt eine grosse Varianz. Gemeinsam haben viele Betroffene, dass sie zögern, darüber zu sprechen. Und oft lange leiden, bis sie sich behandeln lassen. Dabei gäbe es in vielen Fällen gute Therapien.

Ab wann spricht man von Verstopfung?

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Die Faustregel besagt, dass wenn ein Mensch weniger als drei Stuhlgänge pro Woche hat, eine Verstopfung vorliegt. Doch allein die Häufigkeit des Stuhlgangs ist nicht aussagekräftig genug.

Eine Verstopfung könnte auch vorliegen, wenn der Stuhl ausserordentlich hart ist, die Entleerung unvollständig ist oder der Stuhlgang sehr anstrengend und schmerzhaft ist. Von chronischer Verstopfung spricht man, wenn diese Probleme länger als drei Monate bestehen.

Scham verursacht grosse Hürden 

«Mich macht es betroffen, wenn Patienten unnötig leiden. Ich kann nur immer wieder sagen, dass es unsinnig ist, Scham zu empfinden», sagt der Darmspezialist und Gastroenterologe Stefan Kahl vom universitären Bauchzentrum Clarunis in Basel. Er wisse, dass viele Menschen auch psychisch leiden würden. 

Um zu handeln, muss zuerst abgeklärt werden, um welche Art von Verstopfung es sich handelt. Zudem gibt es viele Einflussfaktoren wie zum Beispiel Medikamente, Bewegungsmangel oder chronische Erkrankungen, die Verstopfung verursachen können. 

Enddarmverstopfung oder Transitverstopfung? 

Grob gesehen gibt es zwei Hauptarten von Verstopfung: die Transitverstopfung und die Enddarmverstopfung. Bei der Transitverstopfung bewegt sich der Dickdarm langsamer, was zu härterem Stuhl führt. Aufgrund der Verzögerung wird dem Stuhl mehr Wasser entzogen.  

«Die Enddarmverstopfung hingegen betrifft den letzten Abschnitt des Darms und kann durch Probleme beim Entleeren des Darms verursacht werden», sagt die Neuro-Gastroenterologin Diana Ollo, welche am Hôpital de La Tour in Genf arbeitet. 

Diagramm des menschlichen Verdauungstrakts mit Dickdarm.
Legende: Transitverstopfung Bei der Transitverstopfung bewegt sich der Dickdarm nur noch wenig. Deshalb werden Nahrungsrückstände langsamer vorwärts transportiert. So bleiben sie länger im Kontakt mit der Darmschleimhaut und trocknen dadurch stärker aus. Der Kot wird so deutlich härter. SRF

Hat man äussere Umstände wie Medikamente oder andere negative Einflüsse ausgeschlossen, kann eine einfache Ernährungsumstellung oft helfen, einen trägen Dickdarm wieder in Gang zu bringen.

Ballaststoffreiche Lebensmittel und ausreichend Wasser sind dann ebenfalls wichtig. Reicht das nicht, sind Abführmittel eine Option, die entgegen vieler Befürchtungen nicht süchtig machen.  

Physiotherapie gegen Verstopfung im Enddarm 

Bei Verstopfungen im letzten Darmabschnitt zwischen Anus und Enddarm hingegen sind Abführmittel oft wenig wirksam. Eine wohl weniger bekannte Option ist dann die Physiotherapie. Diese kann bei Enddarmverstopfung helfen, indem sie die Muskulatur und den Beckenboden im Bereich des Enddarms lockert.  

Tipps aus der Physiotherapie

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Die Physiotherapeutin Sandrine Balisson ist spezialisiert auf Verstopfungen und empfiehlt:

  1. Die Position beim Stuhlgang mit einem Hocker optimieren. «Ideal ist eine Haltung, bei der die Knie höher sind als das Becken, ähnlich wie in der Hocke». Diese Position entspanne den Schambein-Enddarm-Muskel und erleichtere die Darmentleerung, sagt Balisson. In dieser Position atmet man am besten tief in den Bauch. Zusammen mit den erhöhten Füssen, solle dies bereits helfen, den Darm zu entleeren, erklärt Balisson.
  2. Richtig Atmen, nicht pressen! Wenn das aber nicht ausreicht, dürfe man auf keinen Fall pressen. «Besser ist, gegen einen Widerstand zu atmen – zum Beispiel in die Faust, als würden wir einen Luftballon aufblasen», sagt Balisson.

    Entspannung ist zentral beim Gang aufs WC. «Wir stellen fest, dass immer mehr Menschen aufgrund der heutigen Lebensweise Probleme mit dem Stuhlgang-Timing haben», sagt Darmspezialistin Ollo. Wir würden dazu neigen, uns zurückzuhalten, nicht auf öffentliche Toiletten gehen zu wollen.

    Schamgefühle also, die zu ungewohnten Mustern und einer Synchronisationsstörung führen können.  

    Hilfe suchen lohnt sich 

    Weniger Scham wäre also wichtig, um ein entspanntes Verhältnis zu unserem Stuhlgang zu haben.

    Nicht in allen, aber in vielen Fällen helfen bereits kleine Massnahmen, um eine Verbesserung der Situation herzustellen. Damit das gelingt, müssen wir darüber reden und Hilfe suchen. Oder wie es Stefan Kahl sagt: «Hemmungen überwinden, einfach hingehen. Für uns Ärzte ist das so normal wie für den Bäcker, der Brot backen muss». 

    Puls, 10.3.2025, 21:05 Uhr

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