Verstopfung ist ein weit verbreitetes Problem. Im Durchschnitt gehen Fachleute von 15 Prozent aus, die in der erwachsenen Bevölkerung in irgendeiner Form betroffen sind – in der Schweiz dürfte es sich also um deutlich mehr als eine Million Menschen handeln.
Klar ist: Nicht alle leiden gleich und es gibt eine grosse Varianz. Gemeinsam haben viele Betroffene, dass sie zögern, darüber zu sprechen. Und oft lange leiden, bis sie sich behandeln lassen. Dabei gäbe es in vielen Fällen gute Therapien.
Scham verursacht grosse Hürden
«Mich macht es betroffen, wenn Patienten unnötig leiden. Ich kann nur immer wieder sagen, dass es unsinnig ist, Scham zu empfinden», sagt der Darmspezialist und Gastroenterologe Stefan Kahl vom universitären Bauchzentrum Clarunis in Basel. Er wisse, dass viele Menschen auch psychisch leiden würden.
Um zu handeln, muss zuerst abgeklärt werden, um welche Art von Verstopfung es sich handelt. Zudem gibt es viele Einflussfaktoren wie zum Beispiel Medikamente, Bewegungsmangel oder chronische Erkrankungen, die Verstopfung verursachen können.
Enddarmverstopfung oder Transitverstopfung?
Grob gesehen gibt es zwei Hauptarten von Verstopfung: die Transitverstopfung und die Enddarmverstopfung. Bei der Transitverstopfung bewegt sich der Dickdarm langsamer, was zu härterem Stuhl führt. Aufgrund der Verzögerung wird dem Stuhl mehr Wasser entzogen.
«Die Enddarmverstopfung hingegen betrifft den letzten Abschnitt des Darms und kann durch Probleme beim Entleeren des Darms verursacht werden», sagt die Neuro-Gastroenterologin Diana Ollo, welche am Hôpital de La Tour in Genf arbeitet.
Hat man äussere Umstände wie Medikamente oder andere negative Einflüsse ausgeschlossen, kann eine einfache Ernährungsumstellung oft helfen, einen trägen Dickdarm wieder in Gang zu bringen.
Ballaststoffreiche Lebensmittel und ausreichend Wasser sind dann ebenfalls wichtig. Reicht das nicht, sind Abführmittel eine Option, die entgegen vieler Befürchtungen nicht süchtig machen.
Physiotherapie gegen Verstopfung im Enddarm
Bei Verstopfungen im letzten Darmabschnitt zwischen Anus und Enddarm hingegen sind Abführmittel oft wenig wirksam. Eine wohl weniger bekannte Option ist dann die Physiotherapie. Diese kann bei Enddarmverstopfung helfen, indem sie die Muskulatur und den Beckenboden im Bereich des Enddarms lockert.
Entspannung ist zentral beim Gang aufs WC. «Wir stellen fest, dass immer mehr Menschen aufgrund der heutigen Lebensweise Probleme mit dem Stuhlgang-Timing haben», sagt Darmspezialistin Ollo. Wir würden dazu neigen, uns zurückzuhalten, nicht auf öffentliche Toiletten gehen zu wollen.
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Bild 1 von 2. Ideale Sitzposition – die Hocke. Wenn wir in der Hocke auf dem WC sitzen und die Füsse erhöht haben, lockert sich dieser Muskel und der Darmausgang entspannt sich. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 2. 90 Grad-Winkel – so klemmts. Wenn man im 90 Grad-Winkel auf dem WC sitzt, klemmt der Schambein-Enddarm-Muskel den Darmausgang ab. Bildquelle: SRF.
Schamgefühle also, die zu ungewohnten Mustern und einer Synchronisationsstörung führen können.
Hilfe suchen lohnt sich
Weniger Scham wäre also wichtig, um ein entspanntes Verhältnis zu unserem Stuhlgang zu haben.
Nicht in allen, aber in vielen Fällen helfen bereits kleine Massnahmen, um eine Verbesserung der Situation herzustellen. Damit das gelingt, müssen wir darüber reden und Hilfe suchen. Oder wie es Stefan Kahl sagt: «Hemmungen überwinden, einfach hingehen. Für uns Ärzte ist das so normal wie für den Bäcker, der Brot backen muss».