In der Medizin gibt es selten nur einen Königsweg. Vielmehr können verschiedene Wege zum Ziel führen. Umso wichtiger ist es, sich gut zu informieren – insbesondere, wenn schwere Eingriffe bevorstehen. Der Gang zu einem zweiten und vielleicht sogar dritten oder vierten Arzt kann dann die beste Möglichkeit sein, die optimale Therapie aufzuspüren. Wichtig ist dabei, die richtigen Anlaufstellen zu finden. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, wie das Beispiel Varikozele zeigt.
Varikozele: Krampfader am Hoden
In manchen Fällen führt eine Erweiterung der Venen im Samenstrang zu Problemen und muss behoben werden. Weil wie bei allen Krampfadern der Klappenmechanismus in den Venen defekt ist, fliesst das Blut in die falsche Richtung. Dadurch nehmen Temperatur und Druck im Hoden zu. Folge: Es kann zu Schmerz- oder Druckgefühlen kommen und/oder die Spermien-Qualität kann leiden. 90 Prozent der Varikozelen sind links zu finden, 10 Prozent rechts. Im Stehen sind die Venenerweiterungen oft zu sehen, im Liegen verschwinden sie in der Regel. 10 bis 15 Prozent der Männer haben eine Varikozele. Die meisten werden aber nicht entdeckt und sind symptomlos.
Ursachen
Eine primäre Varikozele ist anlagebedingt, also angeboren. Die sekundäre Varikozele kann entstehen durch:
- Verengung der Nierenvene zwischen Hauptschlagader und einer Darmarterie;
- Knick der Samenstrangvene;
- Druck durch einen Nierentumor, der die Hodenvene abklemmt.
Symptome
Grosse Varikozelen können ein Schwere- oder Druckgefühl auslösen und eine unangenehme Hodenwärme verursachen. Die Varikozele sollte behandelt werden, wenn eine eingeschränkte Spermienqualität (relevant bei Kinderwunsch) vorhanden ist oder wenn Beschwerden auftreten.
Behandlung
Es gibt verschiedene Vorgehensweisen, wie Varikozelen behandelt werden können. Die folgenden Behandlungen werden unter Vollnarkose und vom Urologen durchgeführt. Meistens übernachtet man danach im Spital und schont sich eine Woche vor körperlichen Aktivitäten.
- Laparoskopie: Unterbindung der Venen mit kleinen Bauchdeckenschnitten von je ca. 2 cm. Die Vene wird freigelegt, mit zwei Clips abgebunden und in der Mitte noch ein Stück für die Untersuchung herausgeschnitten. Dauer ca. 45 min.
- Mikroskopische Varikozelenresektion: Die Venen werden speziell ausgewählt und mit Hilfe eines Operationsmikroskops im Samenstrang unterbrochen. Hier muss sehr genau gearbeitet werden, damit man keine Nerven im Hoden verletzt. Dauer ca. 45 min.
Je nach dem werden diese Eingriffe «nach Bernardi» (Durchtrennung der Hodenvene) oder «nach Palomo» (Durchtrennung aller Samenstranggefässe) durchgeführt.
Die folgenden Behandlungen werden von interventionellen Radiologen durchgeführt. Es sind ambulante Eingriffe.
- Katheterembolisation: In örtlicher Betäubung wird am Hals oder an der Leiste eine dünne Hohlnadel in die Vene eingebracht. Anschliessend wird über diese Nadel mittels eines Führungsdrahtes ein Katheter über die Nierenvenen in die Hodenvene (Vena testicularis) vorgeschoben. Mit Kontrastmittel werden die betroffenen Venen sichtbar gemacht. Diese Venen werden dann mit sogenannten Coils und Plugs wie eine Staumauer verschlossen. Zusätzlich spritzt man in diese Venen einen Gewebekleber (Sklerosierungsmittel), der die Venenwand zerstört.
Dauer 45min, nach gut einer Stunde kann man das Spital wieder verlassen und ist am nächsten Tag arbeitsfähig.
- Sklerosierung: Sie funktioniert gleich wie die Katheterembolisation, es gibt aber keine Coils. Die Rückfallquote scheint etwas grösser zu sein als mit Coils.
Kann durch die Vene, welche die Varikozele verursacht hatte, kein Blut mehr fliessen, sucht sich das Blut einen anderen Venenkanal und gelangt somit ungehindert zum Herzen zurück.
Welche Behandlung ist am besten?
Bezüglich Rückfallquote sind alle Vorgehensweisen in etwa gleich. Eine direkte Vergleichsstudie gibt es nicht, nur einzelne Studien zu den direkten Operationen. Laut diesen hat die Katheterembolisation die geringste Komplikationsquote von 9,7 Prozent und ist mit 2600 Franken auch die billigste. Zu den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten meint der Urologe Daniel Seiler: «Es zeigt sich ja in der Vielfältigkeit der Technik, dass sich keine als ‹die Richtige› durchgesetzt hat. Man versucht, immer weiter zu entwickeln. Schlussendlich soll man sich für diese Variation entscheiden, die der behandelnde Arzt am besten kann.»
Der interventionelle Radiologe Christoph Binkert gibt als Tipp: «Man soll sich über die verschiedenen Eingriffsarten informieren und danach entscheiden, was für einen selbst die beste Lösung ist. Und da hat man als Patient bei der Katheterembolisation den geringsten Aufwand und zudem fast keine Schmerzen.»