Acht von 65 untersuchten In-vitro-Kindern litten an erhöhtem Blutdruck. In der Kontrollgruppe mit normal Geborenen waren es zwei. Künstlich gezeugte Kinder haben also ein viel Mal höheres Risiko an hohem Blutdruck zu erkranken als ihre «normalen» Gspänli.
Dies die Ergebnisse der Nachfolge-Untersuchung des Berner Kardiologen Urs Scherrer. In seiner ursprünglichen Studie vor fünf Jahren hatte er festgestellt, dass In-vitro-Kinder frühzeitig gealterte Blutgefässe aufweisen, Anzeichen von Arteriosklerose zeigen.
Nur bedingt ernst genommen
So klar die Ergebnisse in Scherrers Augen auch sind: Von den Fortpflanzungsmedizinern werden sie nur bedingt ernst genommen. Zwar anerkennen sie Scherrers Forschung als seriös. Weil seine Ergebnisse aber bisher nicht von einer zweiten Gruppe bestätigt worden sind, wird noch kein Handlungsbedarf gesehen. Sowohl an der Universitätsklinik Zürich wie auch am Inselspital Bern werden zukünftige Eltern bestenfalls am Rande auf die möglichen Risiken aufmerksam gemacht.
Die Fortpflanzungsmediziner weisen vielmehr darauf hin, dass allfällige Ursachen für allfällige Gefässprobleme auch bei den Eltern liegen können. Diese haben ja ein Fruchtbarkeitsproblem und sind oft etwas älter. So weiss man, dass bei In-vitro-Fertilisation grundsätzlich die Missbildungsrate erhöht ist, genauso wie die Gefahr einer Schwangerschaftsvergiftung und die eines zu niedrigen Geburtsgewichts. Von all diesen Faktoren weiss man, dass sie das Risiko späterer Herzinfarkte, Schlaganfälle, Diabetes und Adipositas erhöhen.
Scherrer hat in Versuchen mit In-vitro-Mäusen festgestellt, dass diese epigenetische Veränderungen aufweisen. Das heisst, das für das Gefässsystem hauptverantwortliche Gen hat die Veranlagung, nicht richtig zu funktionieren. Er vermutet, dass dies auch beim Menschen der Fall ist. Eine mögliche Ursache könnte laut Scherrer in der Kulturflüssigkeit liegen in der die Eizellen befruchtet und dann einige Tage beobachtet werden, bevor die Besten in den Uterus eingepflanzt werden.
Bevor Scherrers Studien nicht von weiteren Studien bestätigt werden, bleiben die Fortpflanzungsmediziner zurückhaltend mit der Information der Eltern. Dabei wäre es durchaus sinnvoll, trotz unsicherer Studienlage auf die möglichen Risiken hin zu weisen. Dann könnten die Eltern bei ihren künstlich gezeugten Nachkommen besondere Aufmerksamkeit auf eine gesunde Lebensweise legen. Bewegung, Ernährung, kein Nikotin, das sind die sichersten vorbeugenden Massnahmen gegen Gefässverkalkungen.
Resultate in 20 Jahren
Ob die betroffenen In-vitro-Kinder dereinst wirklich vermehrt und Herzinfarkte und Schlaganfällen zu leiden haben, weiss man erst in 20 Jahren. Diese Herzkreislaufkrankheiten manifestieren sich nämlich meist erst bei Menschen ab 50 Jahren. Das älteste Retortenbaby der Welt ist erst 38 Jahre alt, in der Schweiz hielt die künstliche Befruchtung erst einige Jahre später Einzug.