Das Rezept kursiert im Internet, in esoterischen Büchern und wird in Onlineshops propagiert, die Abführ-Salz verkaufen. «Dass für eine Gallensteinentfernung ein operativer Eingriff nötig sei, ist entweder Dummheit, Unwissenheit oder Manipulation», behauptet ein Mann in einem Youtube-Video. Und gibt sogleich das Rezept für eine Gallenstein-Reinigung bekannt, die nur wenige Franken kostet. Die Zutaten: Olivenöl, Grapefruits und Abführsalz.
Tatsächlich schwimmen am Ende der «wundersamen Leberspülung» bei allen Leuten grünliche Steine in der WC-Schüssel. Tausende haben es bereits ausprobiert und sind begeistert. Sie berichten, wie es ihnen seit der Kur gesundheitlich deutlich besser geht. Denn schliesslich, so schreibt zumindest der Buchautor Andreas Moritz, seien Gallensteine für alle möglichen Leiden verantwortlich. Sie hielten die Leber vom Entgiften des Körpers ab und führten zu Herzerkrankungen oder Krebs, zu Gelenkproblemen, Diabetes, Psoriasis oder fettigen Haaren.
Grüne Klümpchen im WC
«Puls» wollte es genau wissen. «Versuchskaninchen» Sarah Allemann teste die Rosskur am eigenen Leib. Und tatsächlich: Nach viel Bauchweh schwammen auch bei ihr plötzlich die ominösen grünen Steinchen in der WC-Schüssel. Wie versprochen waren die Klümpchen dunkelgrün, butterweich und einige Millimeter bis 3 Zentimeter gross.
Nur: «Puls» hatte Allemann vor der Spülung von einem Spezialisten per Ultraschall untersuchen lassen. Der Befund: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Gallensteine. Wenn die Knöllchen im WC aber keine Gallensteine sein können - was sind sie dann?
«Puls» brachte die Steine ins Steinlabor am Institut für Klinische Chemie des Universitätsspitals Zürich. Hier werden Jahr für Jahr Tausende von Gallen- und Nierensteinen auf ihre Zusammensetzung untersucht. Eine Untersuchung mittels Röntgendiffraktion zeigte, dass die Steine der Spülung keine kristallinen Komponenten enthalten. Dies wäre bei echten Gallensteinen zwingend der Fall. «Die Kügelchen schmelzen unter einer warmen Lampe – richtige Gallensteine hingegen sind steinhart», erklärt Prof. Katharina Rentsch, Labormedizinerin und Leiterin des Steinlabors. In einer weiteren Laboranalyse bringt sie ans Licht, woraus die vermeintlichen Gallensteine hauptsächlich bestehen: Aus Ölsäure, dem Hauptbestandteil von Olivenöl. Vermutlich demselben Olivenöl, das vorher getrunken wurde.
Für Laborleiterin Rentsch keine Überraschung: Sie erhält solche Leberspülungs-«Steine» regelmässig von Ärzten zugeschickt, welche diese wiederum von Patienten erhalten. «Das Resultat ist immer dasselbe: Die Klumpen bestehen aus Fettsäuren und Stuhl. Gallensteine sind das ganz sicher nicht.»
Unsinnig oder gar gefährlich
Sämtliche angefragten Gastroenterologen und Chirurgen - die echte Gallensteine aus ihrem Alltag bestens kennen –, halten die «Leberspülung» für ausgemachten Unsinn. «Das Olivenöl verseift sich im Magen zu Klumpen», erklärt etwa Miriam Thumshirn, Magen-Darm-Spezialistin vom Claraspital Basel. Wenn jemand wirklich Gallensteine habe, könne eine Spülung mit mehreren Dezilitern Öl sogar gefährlich werden: «Bei so viel Öl zieht sich die Gallenblase stark zusammen: Dies könnte erst recht eine Gallenkolik auslösen», warnt sie.
Gallensteine: Kristallisierter Saft
Echte Gallensteine entstehen in der Gallenblase oder in den Gallengängen der Leber, wo der Gallensaft produziert wird. Bei den Steinen handelt es sich um kristallisierten Gallensaft. Dieser verklumpt, wenn seine Zusammensetzung aus der Balance gerät.
Gut 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung haben Gallensteine. Das Risiko, Gallensteine zu entwickeln, ist erhöht bei Frauen um die 40, die bereits schwanger waren. Zudem begünstigt Übergewicht das Wachstum von Gallensteinen.
Häufig haben diese aber keine gesundheitlichen Folgen - nur etwa ein Viertel der Steine macht Probleme. Etwa, wenn sich die Gallenblase entzündet oder wenn ein Stein den Gallengang verstopft. Dann kann es nach dem Essen zu einer Kolik mit Übelkeit, Erbrechen und drückenden Schmerzen im rechten Oberbauch kommen.
Bis heute werden Gallensteine mit einer Operation entfernt. Zwar gibt es auch Medikamente, die Gallensteine auflösen. Allerdings wird davon meist abgeraten, weil sie ein Leben lang eingenommen werden müssen. Denn sonst bilden sich schon bald wieder neue Steine - steinharte.