Zugegeben: Besonders sinnlich klingt der Name der Substanz nicht, die in Zukunft unsere Fortpflanzung beeinflussen soll. «VU0546110», so die sperrige Bezeichnung für das Molekül, das die Empfängnisverhütung durch den Mann um eine Option ganz ohne «Latex-Überzieher» oder medizinischen Eingriff erweitern soll.
Die Studie stellt einen wichtigen Entwicklungsschritt hin zu neuen Verhütungsmitteln dar, die nicht auf der Wirkung von Hormonen beruhen.
Entdeckt und in der aktuellen Fachpublikation PNAS beschrieben, haben ihn Forschende um Professorin Celia M. Santi von der Washington University School für Medizin im amerikanischen St. Louis.
Lahmgelegter Kanal
Das Molekül soll die Spermien regelrecht an der Eizelle abprallen lassen, indem es verhindert, dass diese ihre eigene Oberflächenspannung verändern und dadurch mit der Eizelle verschmelzen können. Dafür wird ein nur in Spermien vorhandener Ionenkanal lahmgelegt. Dieser Vorgang ist laut den Forschenden arm an Nebenwirkungen für Spermienbesitzer.
«Die Studie stellt einen wichtigen Entwicklungsschritt hin zu neuen Verhütungsmitteln dar, die nicht auf der Wirkung von Hormonen beruhen», erklärt Reproduktionsmediziner Timo Strünker gegenüber dem «Science Media Center».
Erst im Labor getestet
Heisst das jetzt Schluss mit Hormonpillen für die Frau? Und Schluss mit Unterbindungen für den Mann?
Gemach, gemach.
Die Entdeckung des Moleküls ist nämlich noch nicht zwingend ein medizinischer Durchbruch. Denn die Wirkungsweise von «VU0546110» wurde bisher erst unter Labor-Bedingungen an Spermien von Mäusen und von wenigen Menschen getestet. Dort hat das Molekül die für die Verschmelzung von Spermien- und Eizellen notwendigen Vorgänge zwar zuverlässig verhindern können.
«Allerdings ist es […] bis zur praktischen Umsetzung ein weiter und unvorhersehbarer Weg», schränkt Professor Artur Mayerhofer vom Biomedizinischen Centrum der LMU München ein.
Es ist also davon auszugehen, dass es bis zur Entwicklung eines allfälligen Präparats noch viele Untersuchungen brauchen wird – und das noch Jahre dauert. Dennoch weckt die Entdeckung bei Fachleuten Hoffnung: «Damit besteht eine realistische Chance zur Entwicklung neuer kontrazeptiver Ansätze», so der Münsteraner Fachmann Stefan Schlatt.
Das grosse Aber
Weil das Molekül erst kurz vor der eigentlichen Befruchtung und damit innerhalb des weiblichen Körpers wirken soll, kann es durchaus sein, dass am Schluss doch wieder die Frau für dessen Applikation verantwortlich sein wird. Denkbar wären etwa ein Vaginal-Gel oder eine Crème, die das Molekül enthält.
Dennoch könnte die Entdeckung der Substanz bei der weiteren Forschung zur männlichen Unfruchtbarkeit hilfreich sein. Die genaue Ursache für ungenügend bewegliche oder funktionstüchtige Spermienzellen ist in manchen Fällen nicht eruierbar. Hier könnten die neuen Forschungsergebnisse aus den USA Hinweise geben, in welche Richtung weiter geforscht werden muss.