«Ich will gar nicht, dass Yoga mein Leben verändert - nur meinen Po!», soll Julia Roberts einmal auf die Frage geantwortet haben, warum sie Yoga macht. Damit ist sie in guter Gesellschaft: In der westlichen Welt hat der spirituelle Unterbau des uralten Meditationsprogramms kaum Gewicht. Der körperliche Aspekt ist weit bedeutsamer – sei es, weil Rückenbeschwerden bislang unbeugsame Topmanager in die Knie zwingen oder weil die neuen, schicken Studios Sportliche anlocken, die statt im Fitnessstudio nun für einen schönen Körper in angenehmerer Atmosphäre schwitzen.
Egal, was die Beweggründe sind: Der Trend mit Tradition spült Geld in die Kassen. In Deutschland werden 500 Millionen Euro pro Jahr mit Yoga umgesetzt, in den USA drei Milliarden Dollar. Allein in Zürich üben 20'000 Schüler in über 100 Yogazentren. Noch sind Frauen in der Überzahl, nur ein Fünftel sind Männer – Tendenz steigend. Sie treibt zunächst einmal vor allem der Schmerz dorthin.
Sehr viele von ihnen profitieren unter fachkundiger Anleitung tatsächlich von den Dehnungs- und Kräftigungsübungen. Einige Studien haben bereits gezeigt, dass Yoga Rücken- oder Gelenksschmerzen lindern kann. Auch Migräneattacken und Asthmaanfälle soll es abschwächen. Darüber hinaus soll regelmässiges Yoga positiv auf den Hormonkreislauf einwirken und den Blutdruck senken. Nicht zuletzt ist es Balsam für die Seele: Forscher der Boston University haben herausgefunden, dass Yoga anderen Sportarten überlegen ist, was die Auswirkungen auf Stimmungen und Ängste betrifft. Bereits nach drei Monaten regelmässigen Übens verändert sich die Gehirnchemie zugunsten eines Botenstoffs, der stimmungsausgleichend wirkt.
Nicht überall, wo Yoga drauf steht, ist Yoga drin
So verschieden die Yoga-Angebote sind, so unterschiedlich ist die Qualität der Lehrerausbildung. Die Vergabepraxis von Lehrer-Zertifikaten ist zum Teil abenteuerlich. Nicht selten dauert die Ausbildung nur wenige Wochen. Ein tieferes Verständnis der Philosophie des Yoga oder der korrekten Ausführung der Asanas, der einzelnen Haltungen, bleiben bei dieser Schulung im Schnellverfahren auf der Strecke – von medizinischem Hintergrundwissen ganz zu schweigen. Für gesundheitlich Fitte, die langsam an die Sache herangehen, ist das in der Regel kein Problem. Steigen die Herausforderungen jedoch oder liegen gesundheitliche Einschränkungen vor, beispielsweise Nacken-, Rücken- oder Knieprobleme, ist Vorsicht geboten. Die Verletzungsgefahr nimmt mit dem Alter zu. Weil die meisten erst relativ spät mit Yoga beginnen, steigt das Verletzungsrisiko durch Überdehnung. Daher sollte man Dehnungen nicht forcieren. Auch Yoga im Alleingang mit einer DVD oder Buch ist nicht empfehlenswert. Übungen, die häufig falsch ausgeführt werden und die verletzungsträchtig sind, zeigt Yogalehrerin Christina Waltner von PlanetYoga Zürich im Video.
Hatha-Yoga – das Yoga des Westens
Fast alle westlichen Yoga-Angebote basieren auf dem Hatha-Yoga, dem mehr körperlich als spirituell orientierten Bestandteil des Yoga. Ursprünglich diente es dazu, den Körper für verschiedene Meditationshaltungen zu schulen und war ein Weg zum erklärten Ziel indischer Yogis: der Erleuchtung. So weit gehen europäische Yoga-Schüler nicht. Sie spüren vielmehr, dass ihnen Yoga «irgendwie gut tut». Eine grosse Rolle spielt dabei die Atmung sowie die Tiefenentspannung. Auch das Singen von Mantras hat seinen festen Platz. Manchmal werden auch Ernährungsempfehlungen ausgesprochen, wie eine vegetarische oder gar vegane Lebensweise.
Es gibt neun international anerkannte Stile des Hatha-Yoga: Jivamukti, Ashtanga, Iyengar, Viniyoga, Sivananda, Integral, Bikram, Kundalini und Kripalu, ein in Europa weitgehend unbekannter Stil – und unzählige andere Angebote.
Ashtanga/Vinyasa
Vier Schwierigkeitsstufen bauen aufeinander auf. Die einzelnen Haltungen werden in rascher Abfolge ausgeführt. Häufig ist das die Yoga-Form, die in Fitnessstudios angeboten wird. Meditation oder spirituelle Aspekte sind dabei eher unwichtig. Viele andere Yoga-Strömungen leiten sich aus dem Ashtanga-, bzw. Vinyasa-Yoga ab.
Bikram (siehe Video)
Bikram-Yoga ist eine markengeschützte Abfolge von 26 festen Übungen, die erst in den 70er-Jahren in Los Angeles entwickelt worden ist. Es wird in beheizten Räumen bei etwa 40 Grad praktiziert. Die einzelnen Figuren sind nicht einfach. Die schweisstreibende Wärme soll Bänder und Sehnen dehnbarer machen, aber auch den Körper entschlacken – was wissenschaftlich jedoch nie nachgewiesen worden ist. Spirituelles spielt keine Rolle. Sportärzte stehen dieser Yogaform eher kritisch gegenüber, weil sie den Kreislauf sehr belastet und zu starkem Wasserverlust führen kann.
Iyengar
Körperlich orientierte Yogamethode nach dem berühmten Yogi Bellur Krishnamachar Sundararaja Iyengar, der beispielsweise auch Violinist und Dirigent Yehudi Menuhin unterrichtet hat. Die einzelnen Übungen werden sehr langsam und konzentriert durchgeführt. Am Anfang sollen Hilfsmittel die Übungen vereinfachen und so sicherstellen, dass auch Ungeübte die Stellungen richtig ausführen. Bis die Haltungen sitzen, ist viel Training erforderlich. Das Spirituelle spielt kaum eine Rolle.
Jivamukti
Jivamukti-Yoga wurde in den 80er-Jahren von den Amerikanern Sharon Gannon und David Life entwickelt. «Jiva» steht für Seele, «Mukti» für Befreiung. Geübt wird diese dynamische Form zu Musik, das kann neben traditionell indischer auch aktueller Pop und Rock sein. Die Übungen gehen fliessend ineinander über, es gibt Exkurse in die Philosophie, in spirituelle Aspekte, Mantras und Meditation. Begleitet werden alle Asanas von konzentriertem Atmen.
Kundalini
Das Kundalini-Yoga soll die Lebensenergie wecken. Die einzelnen Asanas werden länger als üblich gehalten. Das soll den Energiefluss optimieren und Übenden mehr Ausgeglichenheit und Gesundheit schenken. Wichtige Bestandteile sind auch das Singen von Mantras und Meditationen und die entsprechende Atmung.
Sivananda
Zwölf Übungen, die immer wieder durchgeführt werden. Sie sind zum Teil recht schwierig und schweisstreibend. Die Gedanken sollen zur Ruhe kommen, die Konzentration liegt auf der Atmung. Auch Mantras und Gebete gehören zu diesem Stil.
Viniyoga
Diese sanfte Form des Hatha-Yoga orientiert sich stark an den Möglichkeiten und Erfordernissen des Übenden. Schon aus diesem Grund wird Viniyoga meist im Einzelunterricht vermittelt.
Darüber hinaus gibt es verschiedenste Weiterentwicklungen – von Anti-Gravity-Yoga (siehe Video) mit Tüchern über Yogalates, einer Mischung von Yoga und Pilates bis hin zu Yin-Yang-Yoga (siehe Video), das aktive mit passiven Haltungen kombiniert.