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Welttag der Handhygiene «Keimfreie Hände sind ein Ding der Unmöglichkeit»

Sind keimfreie Hände gesund? Und was haben Leichen aus dem 19. Jahrhundert mit dem Händewaschen zu tun? Ein Dermatologe im Interview zum Welttag der Handhygiene.

Christoph Schlapbach

Dermatologe

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Professor Christoph Schlapbach ist leitender Arzt an der Universitätsklinik für Dermatologie des Inselspitals Bern. Er forscht an entzündlichen Hautkrankheiten.

SRF Wissen: Warum braucht es einen Welttag der Handhygiene?

Christoph Schlapbach: Damit werden wir an eine einfache Methode erinnert, die effizient Krankheiten verhindert. Grundsätzlich sollten wir als Gesellschaft nicht vergessen, dass die Hygiene als Konzept eine der grössten Errungenschaften der Medizin darstellt.

Die Anfänge der Handhygiene

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Das ist eine etwas morbide Geschichte, da es um sterbende Mütter und sezierte Leichen geht. Der Arzt Ignaz Semmelweiss beobachtete damals, dass gebärende Mütter, die bei der Geburt von Ärzten betreut wurden, daraufhin viel häufiger an hohem Fieber starben als Frauen, die von Hebammen entbunden wurden. Semmelweiss untersuchte dann systematisch die Faktoren, die diesen Unterschied erklären könnte. Schliesslich fiel ihm auf, dass die Ärzte morgens vor den Geburten jeweils mit den Medizinstudenten Leichen sezierten und vermutete, dass sie «Leichenpartikel» an ihren Händen bei der Geburt auf die Mütter übertragen, was diese dann todkrank machte.

Händewaschen bewährte sich

Damals war weder regelmässiges Händewaschen üblich, noch wusste man um die Existenz von mikrobiellen Keimen als Ursache von Infektionskrankheiten. Semmelweis etablierte dann 1847 zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die Händehygiene: Ärzte mussten sich vor der Geburtshilfe die Hände mit normaler Seife und mit Chlorkalk reinigen, um den «Leichengeruch» zu beseitigen. Kurz darauf sank die Sterberate auf der Geburtenstationen der Ärzte deutlich. Erst ungefähr 30 Jahre später lieferte Louis Pasteur mit seiner Keimtheorie der Krankheiten die wissenschaftliche Grundlage dafür: Händewaschen verhinderte das Übertragen von infektiösen Krankheitserregern auf die Mütter.

Heute ist Händewaschen in unserem Alltag integriert. Besonders seit dem Ausbruch der Pandemie. Zu Beginn der Pandemie wurde das Händewaschen von allen Seiten empfohlen. Warum wurde es so still darum?

Das ist einfach zu erklären. Zu Beginn der Pandemie war nicht vollständig klar, wie das neue Virus Sars-CoV-2 übertragen wird. Es war plausibel, dass ein relevanter Teil der Covid19-Infektionen über Schmierinfektionen – also Übertragung durch Kontakt – passieren. Händewaschen ist ein effizientes Mittel dagegen. Heute wissen wir, dass Corona vor allem über die Luft durch Niesen, Singen oder Reden übertragen wird. Masken tragen und Lüften von Räumen wurde daher wichtiger als Händewaschen, wobei es immer noch einen wichtigen Pfeiler der Massnahmen darstellt.

Haben die Anfragen zu Hautproblemen an den Händen seit Beginn der Pandemie zugenommen?

Das ist auf jeden Fall so. Durch die alkoholhaltigen Desinfektionsmittel und durch Seifen werden die schützenden Fette aus der Haut gelöst. Man kann sich die Haut vereinfacht als eine Backsteinmauer vorstellen. Die Hautzellen sind die Steine und die Fette der Mörtel. Wäscht man nun langsam den Mörtel weg, wird die Mauer brüchig und instabil. Das ist vielfach der Grund für die unerwünschten Hautentzündungen nach (zu) häufigem Händewaschen.

World Hand Hygiene Day 2022

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Seit 2009 findet der Welttag der Handhygiene der Weltgesundheitsorganisation (WHO) immer am 05. Mai statt. Das Datum wurde nicht zufällig gewählt. Die zweimal fünf Finger pro Hand dienen als Eselsbrücke für den 05. 05.

Was hilft dagegen?

Glycerin haltige Desinfektionsmittel helfen, da die bereits zu einer gewissen Rückfettung der Haut führen. Zudem sollten Personen mit sensibler Haut diese nach dem Waschen rückfetten. Idealerweise mit harnstoffhaltigen Handcremes.

Sind keimfreie Hände gesund?

Keimfreie, also sterile Hände sind grundsätzlich ein Ding der Unmöglichkeit. Das ist auch keineswegs das Ziel.

Gesunde Hände werden von Abermillionen von Bakterien besiedelt, auch Mikrobiom genannt.

Gesunde Hände werden von Abermillionen von Bakterien und anderen Mikroorganismen besiedelt, zusammengefasst Mikrobiom genannt. Die Wechselwirkung des Mikrobioms mit unserer Haut ist wichtig für deren Gesundheit.

Was ist das grösste Missverständnis, wenn es ums Händewaschen geht?

Händewaschen führt nicht zu sterilen Händen und das soll es auch gar nicht. Es reduziert die Menge der Keime und dadurch die über die Hände übertragbaren Infektionen. Das genügt auch. Denn es gibt auch sowas wie zu viel Händewaschen. Im normalen Alltag müssen wir uns nicht alle zehn Minuten die Hände waschen, um den erwünschten Effekt zu erzielen. Aber gezieltes Händewaschen ist ein wichtiger Grundpfeiler der Hygiene.

Das Gespräch führte Sandro Käser.

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