Freunde, Verwandte, der Partner erkranken und sterben langsam weg. Die eigene Gesundheit wird fragil, das selbständige Leben immer schwerer, die früheren Hobbys sind vielfach nicht mehr möglich: Wer älter wird, muss mit vielen Veränderungen zurechtkommen, viele davon sind Abschiede. Es kann schwer fallen, alte Zielvorstellungen, die nicht mehr realisierbar sind, loszulassen und sich neu zu orientieren.
Als Rentner auf dem Abstellgleis
Sich überflüssig oder als Belastung zu empfinden, die berufliche Anerkennung und dortige Kontakte mit dem Eintrtt ins Rentnerdasein zu verlieren können zu Depressionen oder Angststörungen führen. Der traurige Beleg dafür: Ab 65 steigt für Männer die Kurve der Suizide sprunghaft an.
Vielfach das Problem: Gerade bei Älteren wird eine Depression schnell als Demenz fehldiagnostiziert. «Nach einem Herzinfarkt oder einer schweren Erkrankung ist es zum Beispiel eine ganz häufige Komplikation, dass man danach in ein Tief kommt oder in Ängste verfällt», sagt Bernadette Ruhwinkel, Chefärztin in der Alterspsychiatrie der Integrierten Psychiatrie Winterthur und Zürcher Unterland.
«Dann geht man nicht mehr so oft raus und sitzt allein daheim. Das führt dann dazu, dass man immer trauriger wird. Der ältere Mensch kommt aus dieser Abwärtsspirale alleine oft gar nicht mehr heraus.»
Doch gerade das ist die beste Medizin gegen die Depression. «Auch wer einen Rollator hat, an Stöcken geht oder langsam zu Fuss unterwegs ist, sollte raus», sagt Psychiaterin Daniela Lutz. Eine Stunde Tageslicht wirkt wahre Wunder. Und wenn man zusätzlich noch soziale Kontakte hat, ist das doppelt gut.
Auch der Körper leidet mit
Ziehen sich Ältere zunehmend zurück, sind die Folgen vielschichtig: Nicht nur die Psyche leidet, auch der Körper baut ab. Wer viel zuhause sitzt, verliert seine Muskelkraft, die Gelenke werden steifer, Herz und Kreislauf schwächer – und in der Folge fällt es noch schwerer, wieder ein aktives Leben zu führen.
Da hilft es dann, auch im Rahmen einer Therapie die Ressourcen eines Menschen aufzudecken: «Es gibt Patienten, die singen gerne oder wir stellen fest, dass sie eine schöne Stimme haben. Wir schauen dann, ob ein Chor oder auch Gesangsunterricht eine Möglichkeit wäre, um wieder Beziehungen zu knüpfen», schildert Bernadette Ruhwinkel die Therapiearbeit.
Therapien lohnen auch im hohen Alter
Das Ordnen der Vergangenheit, der konstruktive Umgang mit der noch zu erwartenden Lebenszeit, die Achtsamkeit im Umgang mit den nahen Menschen und dem wertvoll Geschaffenen, die offene Auseinandersetzung mit dem Sterben und dem Tod entlasten die Betroffenen und ihre Bezugspersonen und tragen zu einem beschwerdefreieren Leben im Alter bei.
«Auch mit 90 sind Depressionen und Angsterkrankungen noch behandelbar», macht Bernadette Ruhwinkel Mut. «Es ist ganz wichtig, sich immer vor Augen zu halten: Ein gesundes Altern ist auch ein glückliches und zufriedenes Altern.» Dem pflichtet auch Psychiaterin Daniela Lutz bei. «Es kann manchmal ganz gut sein, sich mal mit jemand Aussenstehendem wie einem Psychiater zu unterhalten» – bei ihm kann man dann auch Sorgen und Ängste «abladen». Und wenn das nichts bringen, können auch von ihm verordnete Medikamente helfen, wieder Licht im Dunkel zu sehen.