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Werden Betablocker zu häufig verschrieben?
Aus Puls vom 22.10.2012.
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Werden Betablocker zu häufig verschrieben?

Seit fast 50 Jahren gehören Betablocker zum Behandlungsstandard bei koronaren Herzerkrankungen. Nun kommt eine amerikanische Studie zum Schluss: Die Blutdrucksenker bringen nichts.

Betablocker sind die meist verschriebenen Medikamente bei Herzkreislauferkrankungen. Ob gegen Bluthochdruck, verkalkte Herzkranzgefässe oder nach Herzinfarkt: Schweizweit gehen jährlich 2.11 Millionen Packungen über die Apothekentresen.

Bewiesenermassen profitieren bislang nur Patienten, die aufgrund verkalkter Herzkranzgefässe bereits einen Herzinfarkt erlitten haben. Doch nicht nur sie schlucken das Medikament, sondern auch Patienten mit frühen Stadien der Verkalkung der Herzkranzgefässe. Auch Risikofaktoren für Arteriosklerose sind für viele Ärzte bis dato Grund genug, ihren Patienten die Tabletten zu verschreiben – und das, obwohl keine einzige Untersuchung dafür bislang einen positiven Effekt nachweisen konnte.

Betablocker durch neue Therapiemethoden überholt

Eine neue amerikanische Studie hat nun an über 44‘000 Patienten untersucht, ob dieser breitflächige Einsatz von Betablockern tatsächlich gerechtfertigt ist, und kommt zum Schluss: Keine einzige dieser Patientengruppen profitiert nachweisbar von Betablockern – nicht einmal Patienten nach einem Herzinfarkt. Sie erklären dieses überraschende Ergebnis durch die in den letzten Jahrzehnten enorm verbesserten Therapiemöglichkeiten eines Herzinfarkts. Die Möglichkeit, mit einem Katheter Drahtröhrchen (Stents) in verengte Herzkranzgefässe einzusetzen und diese so wieder durchgängig zu machen, hat sich erst in den letzten 20 Jahren richtig durchgesetzt. Dadurch wurden gewaltige Fortschritte in der Herzinfarkt-Therapie erzielt, die Betablocker überflüssig machen.

In vielen Fällen bleibt der Nutzen

Allerdings: Die Studie schloss bewusst Patienten mit zugleich bestehender schlechter Pumpfunktion des Herzens (Herzinsuffizienz) aus. Für sie sind Betablocker klar wirksam und unbedingt notwendig. Auch bei Patienten mit  Herzrhythmusstörungen, die zu einem zu schnellen Herzschlag führen,  bleibt der Einsatz nach wie vor unbestritten. Wer Betablocker also braucht oder nicht, muss der behandelnde Arzt von Fall zu Fall entscheiden – und könnte das in Zukunft möglicherweise mit mehr Bedacht tun.

«Nützt’s nichts so schadt’s nichts»?

Denn auch wenn sie als gut verträglich gelten, gewisse unangenehme Nebenwirkungen können durchaus auftreten – Gründe dafür, die Verschreibungspraxis in einigen Fällen zu überdenken:

  • Betablocker lassen das Herz langsamer schlagen. Müdigkeit und allgemeiner Energieverlust können die Folge sein, manchmal auch Schwindel oder Kopfschmerzen, selten sogar Ohnmachtsanfälle. 
  • Weil Betablocker vor allem auf kleinereperiphere Blutgefässe im Körper verengend wirken, kann die Durchblutung vor allem von Händen und Füssen sich verschlechtern – vor allem bei bereits vorbestehenden Gefässproblemen. Da ein guter Blutfluss im Penis für eine Erektion unabdingbar ist, kann es zu Impotenz kommen. 
  • Auch die Bronchien werden durch Betablocker verengt, wodurch sich die Lungenfunktion verschlechtern kann, vor allem bei vorbestehenden Lungenkrankheiten wie Asthma oder COPD.
  • Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung werden den Betablockern nachgesagt.
  • In der Therapie des Bluthochdrucks dürfen Medikamente wie bestimmte Calzium-Blocker nicht mit Beta-Blockern kombiniert werden.
  • Bei Patienten mit Diabetes oder prä-diabetischer Stoffwechsellage verschlechtern sich unter Beta-Blockern die Blutzuckerwerte.

Studie: 

Bangalore S. et al.: β-Blocker Use and Clinical Outcomes in Stable Outpatients With and Without Coronary Artery Disease. JAMA.  2012;308(13):1340-1349. doi:10.1001/jama.2012.12559.

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