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Wie Zucker auf das Gehirn wirkt
Aus Rendez-vous vom 18.09.2024. Bild: KEYSTONE/DPA/Melissa Erichsen
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Zu viel Zucker Macht Zucker tatsächlich dumm?

Glacé, Tiramisu, Schwarzwäldertorte: Solche Süssigkeiten vergehen sekundenschnell auf der Zunge, dann hat man sie während Jahren auf der Hüfte. Dass Zucker dick macht, ist bekannt. Nun aber mehren sich Stimmen, Zucker könnte auch das Denken beeinträchtigen, gar Alzheimer auslösen. Stimmt das?

Zucker ist eigentlich der Betriebsstoff für unser Gehirn – ohne Zucker können wir nicht denken. Dass aber zu viel Zucker dem Hirn langfristig schadet, weiss man aus der Erfahrung mit Diabetes: Bei dieser Erkrankung funktioniert die Regulation des Blutzuckers nicht oder mangelhaft.

Das Einmaleins des Zuckerstoffwechsels

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Zucker gehört zu den Kohlehydraten und ist der wichtigste Energielieferant des Körpers. Kohlehydrate lassen sich nach der Länge der Molekülkette unterscheiden: Einfachzucker wie Fruchtzucker und Traubenzucker gehen sofort ins Blut über. Kristallzucker ist ein Zweifachzucker (Disaccharid) und geht ebenfalls relativ schnell ins Blut. Bei Mehrfachzucker braucht der Körper länger für die Aufspaltung der Kohlehydrate. Mehrfachzucker ist enthalten in stärkehaltigen Lebensmitteln wie Kartoffeln, Reis oder Brot.

Über die Verdauung – genauer: den Dünndarm – gelangt der aufgespaltene Zucker als sogenannte Glukose (Einfachzucker) ins Blut. Die Glukose-Konzentration im Blut wird als «Blutzuckerspiegel» bezeichnet. Das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon Insulin sorgt dafür, dass der Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen geschleust wird, wo der Körper ihn als Treibstoff braucht. Überschüssige Glukose kann in Form von Glykogen in Muskeln und Leber gespeichert und bei Bedarf wieder abgerufen werden.

Bei Diabetes ist diese Regulation des Blutzuckerspiegels gestört, weil der Körper kein Insulin produziert (Typ I) oder das gebildete Insulin vom Körper nicht richtig verwertet wird (Typ II). Die Folge ist in beiden Fällen ein zu hoher Blutzuckerspiegel. Diabetes-Medikamente wie Metformin sorgen dafür, den Blutzuckerspiegel zu senken.

«Chronisch hohe Blutzuckerwerte sind ein Risiko», erklärt Reto Kressig, Professor für Altersmedizin an der Universität Basel. Schlecht behandelte Diabetikerinnen und Diabetiker bekämen schnell Gefässprobleme mit Herzinfarkten und Hirnschlägen, «dazu haben sie ein generell erhöhtes Demenzrisiko.»

Die Datenlage ist dünn

Zucker versteckt sich in zahlreichen Lebensmitteln – Konfitüre, Süssgetränken, Fertiggerichten, Joghurt, Müsli und vielem mehr. Auch Weissbrot oder Trauben lassen den Blutzucker in die Höhe schnellen.

Die Zuckerempfehlung der WHO

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Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO sollte der tägliche Zuckerkonsum einer Person 50 Gramm nicht übersteigen. Besser wären laut WHO sogar nur 25 Gramm. Effektiv beträgt er in westlichen Ländern ohne Zuckersteuer eher 100 Gramm pro Tag pro Person.

Doch ist Zucker tatsächlich giftig fürs Gehirn? Auch für Nicht-Diabetikerinnen, wie es in manchen Ernährungs-Bubbles diskutiert wird?

Dazu ist kürzlich eine Übersichts-Analyse erschienen. Diese zeigt: Der Impakt von Zucker auf das Gehirn ist bislang kaum systematisch untersucht worden. «Die Datenlage ist erstaunlich dünn», sagt Adrian Rufener, Dozent an der Berner Fachhochschule und Präsident des schweizerischen Verbands der Ernährungsberaterinnen und -berater.

Es gebe wohl gewisse Hinweise, dass zu viel Zucker das Gehirn nachhaltig beeinträchtigen könne. So hätten zwei Beobachtungsstudien bei Ungeborenen und kleinen Kindern einen Zusammenhang zwischen exzessivem Zuckerkonsum (im Fall der Ungeborenen bei den Müttern) und späterer Intelligenzminderung festgestellt. «Das sind jedoch Korrelationen ­– keine kausalen Zusammenhänge», sagt Adrian Rufener. Das bedeutet: Ob Zucker tatsächlich die Ursache für die Intelligenzminderung ist und somit «dumm» macht, ist nicht bewiesen.

Zuckerarme Ernährung schützt das Hirn

Umgekehrt aber zeigt sich immer deutlicher, dass eine zuckerarme Ernährung kognitive Vorteile bringt. «Das erfordert zwar Disziplin, kann sich fürs Gehirn aber lohnen», sagt der Altersmediziner Reto Kressig.

Als besonders vorteilhaft habe sich die mediterrane Ernährung erwiesen, die viel Gemüse und Proteine, aber sehr wenig Süssigkeiten enthält.

Für die kognitive Fitness gebe es dabei eine speziell abgeleitete «Formel» von Lebensmitteln, sagt Kressig. «Die zehn Jahre dauernde Beobachtungsstudie MIND hat gezeigt, dass – wenn man diese Diät konsequent einhält – das Alzheimerrisiko sich um die Hälfte reduziert.»

Wunderpille Metformin?

Manchen ist dieses Diäthalten und auf Süsses zu verzichten allerdings zu mühsam: Sie schlucken lieber eine Pille. Das Diabetes-Medikament Metformin, ursprünglich bereits in den 1930er-Jahren entwickelt, senkt nicht nur zuverlässig den Blutzucker. Es senkt auch das Alzheimerrisiko, wie sich in Studien gezeigt hat.

Nun wird dieser Effekt auch bei Nicht-Diabetikerinnen und -Diabetikern untersucht, in einer grossangelegten Studie namens TAME. Viele Menschen jedoch lassen sich das Medikament off-label einfach so verschreiben ­– um sich etwas Gutes zu tun, und ohne die Ergebnisse von TAME abzuwarten. Eine Praxis, die Altersmediziner Reto Kressig nicht empfiehlt.

Rendez-vous, 18.09.2024, 12:30 Uhr

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