Zucker ist eigentlich der Betriebsstoff für unser Gehirn – ohne Zucker können wir nicht denken. Dass aber zu viel Zucker dem Hirn langfristig schadet, weiss man aus der Erfahrung mit Diabetes: Bei dieser Erkrankung funktioniert die Regulation des Blutzuckers nicht oder mangelhaft.
«Chronisch hohe Blutzuckerwerte sind ein Risiko», erklärt Reto Kressig, Professor für Altersmedizin an der Universität Basel. Schlecht behandelte Diabetikerinnen und Diabetiker bekämen schnell Gefässprobleme mit Herzinfarkten und Hirnschlägen, «dazu haben sie ein generell erhöhtes Demenzrisiko.»
Die Datenlage ist dünn
Zucker versteckt sich in zahlreichen Lebensmitteln – Konfitüre, Süssgetränken, Fertiggerichten, Joghurt, Müsli und vielem mehr. Auch Weissbrot oder Trauben lassen den Blutzucker in die Höhe schnellen.
Doch ist Zucker tatsächlich giftig fürs Gehirn? Auch für Nicht-Diabetikerinnen, wie es in manchen Ernährungs-Bubbles diskutiert wird?
Dazu ist kürzlich eine Übersichts-Analyse erschienen. Diese zeigt: Der Impakt von Zucker auf das Gehirn ist bislang kaum systematisch untersucht worden. «Die Datenlage ist erstaunlich dünn», sagt Adrian Rufener, Dozent an der Berner Fachhochschule und Präsident des schweizerischen Verbands der Ernährungsberaterinnen und -berater.
Es gebe wohl gewisse Hinweise, dass zu viel Zucker das Gehirn nachhaltig beeinträchtigen könne. So hätten zwei Beobachtungsstudien bei Ungeborenen und kleinen Kindern einen Zusammenhang zwischen exzessivem Zuckerkonsum (im Fall der Ungeborenen bei den Müttern) und späterer Intelligenzminderung festgestellt. «Das sind jedoch Korrelationen – keine kausalen Zusammenhänge», sagt Adrian Rufener. Das bedeutet: Ob Zucker tatsächlich die Ursache für die Intelligenzminderung ist und somit «dumm» macht, ist nicht bewiesen.
Zuckerarme Ernährung schützt das Hirn
Umgekehrt aber zeigt sich immer deutlicher, dass eine zuckerarme Ernährung kognitive Vorteile bringt. «Das erfordert zwar Disziplin, kann sich fürs Gehirn aber lohnen», sagt der Altersmediziner Reto Kressig.
Als besonders vorteilhaft habe sich die mediterrane Ernährung erwiesen, die viel Gemüse und Proteine, aber sehr wenig Süssigkeiten enthält.
Für die kognitive Fitness gebe es dabei eine speziell abgeleitete «Formel» von Lebensmitteln, sagt Kressig. «Die zehn Jahre dauernde Beobachtungsstudie MIND hat gezeigt, dass – wenn man diese Diät konsequent einhält – das Alzheimerrisiko sich um die Hälfte reduziert.»
Wunderpille Metformin?
Manchen ist dieses Diäthalten und auf Süsses zu verzichten allerdings zu mühsam: Sie schlucken lieber eine Pille. Das Diabetes-Medikament Metformin, ursprünglich bereits in den 1930er-Jahren entwickelt, senkt nicht nur zuverlässig den Blutzucker. Es senkt auch das Alzheimerrisiko, wie sich in Studien gezeigt hat.
Nun wird dieser Effekt auch bei Nicht-Diabetikerinnen und -Diabetikern untersucht, in einer grossangelegten Studie namens TAME. Viele Menschen jedoch lassen sich das Medikament off-label einfach so verschreiben – um sich etwas Gutes zu tun, und ohne die Ergebnisse von TAME abzuwarten. Eine Praxis, die Altersmediziner Reto Kressig nicht empfiehlt.