Das Wichtigste in Kürze
- Vielen Menschen ist klar, dass Verhaltensänderungen notwendig sind, um klimafreundlicher zu leben
- Die Umsetzung dieses Vorsatzes fällt schwer, weil viele komplexe Entscheidungen zu treffen sind
- Es bräuchte politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die Nachhaltigkeit als Standard verankern
- Solche Rahmenbedingungen müssen dafür sorgen, dass nachhaltige Alternativen einfacher erhältlich und kostengünstiger werden
Warum tun wir nicht mehr, um den Klimawandel aufzuhalten? Die Psychologin und Geografin Katharina Beyerl untersucht, wie wir die Klimakrise wahrnehmen. Sie weiss, was nötig ist, um unser Verhalten anzupassen.
SRF: Wie nehmen wir den Klimawandel wahr?
Katharina Beyerl: Wir Menschen nehmen im Alltag vorrangig das Wetter mit all seinen Schwankungen wahr. Den Klimawandel spüren wir eher vermittelt über zunehmende extreme Wetterereignisse oder das Abschmelzen der Gletscher.
Gleichzeitig werden die Berichterstattung über den Klimawandel und Forderungen nach Klimaschutz immer präsenter. So sind es einerseits konkrete Umweltveränderungen, die wir wahrnehmen, und andererseits persönlich und medial vermittelte Informationen.
Wie reagieren wir auf diese Veränderungen?
Einige Menschen reagieren mit Protestaktionen, manche versuchen klimafreundlicher zu leben. Viele machen aber auch einfach weiter wie bisher.
Viele wissen, dass wir unseren Lebensstil verändern müssten. Aber das ist schwer.
Da es in Mitteleuropa dank Heizungen, Klimaanlagen und Rasensprengern noch relativ leichtfällt, Klimaveränderungen zu maskieren, geht der Klimawandel im Alltag neben vielen anderen Themen oft unter.
Trotzdem verändert sich langsam etwas in unserer Gesellschaft.
Ja, denn mittlerweile hat in der Bevölkerung das Wissen um den Klimawandel und seine Ursachen zugenommen. Ebenso wissen viele, dass wir unseren Lebensstil verändern müssten. Aber das umzusetzen ist schwer, da es sich um sehr viele Entscheidungen handelt.
Damit nachhaltiges Verhalten erleichtert wird, bräuchte es eine gesellschaftliche Umstellung. Im Moment ist es leider noch so, dass ein nicht klimafreundliches und nicht nachhaltiges Leben leicht ist, und nachhaltiges Leben schwer.
Sollten wir nachhaltig leben und nicht nur klimafreundlich?
Definitiv! Der Klimawandel ist nur eines von vielen globalen Problemen. Wir leben in einer sozio-ökologischen Krise. Damit meine ich, dass viele ökologische und soziale Probleme miteinander verzahnt sind und sich gegenseitig bedingen.
Wir leben in einer Zeit der sozialen und ökologischen Ungerechtigkeit, in der sowohl der Wohlstand als auch die sozialen und ökologischen Kosten global gesehen sehr ungleich verteilt sind.
Und aktuell basiert viel unseres Konsums und Wohlstandes auf sozialer und ökologischer Ausbeutung. Wohlstand und wirtschaftliche Gewinne kommen nur wenigen zugute, während sozio-ökologische Kosten von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Hier sind ein Umdenken und entsprechende Rahmenbedingungen notwendig, so dass Nachhaltigkeit zum Standard wird.
Viele Menschen würden gern nachhaltiger leben. Warum fällt es so schwer, das umzusetzen?
Eine Umstellung erfordert viele einzelne Entscheidungen in verschiedenen Bereichen. Manche Veränderungen sind mit einer einzigen Aktion erledigt, wie beispielsweise die Wahl eines Energieanbieters oder einer nachhaltigen Bank.
Andere Verhaltensweisen sind komplexer, wie die Umstellung unserer Ernährung, unserer Mobilität, oder unseres Konsums. Wenn es darum geht, all diese Entscheidungen tatsächlich umzusetzen, spielen Faktoren wie Gewohnheiten und Normen, aber auch die objektiven Umstände eine wichtige Rolle.
Nachhaltigkeit muss attraktiver Standard werden. Und zwar für alle.
Und aktuell sind nicht-nachhaltige Produkte und Dienstleistungen noch der Standard, sowohl im Angebot als auch in unseren Konsumerwartungen.
Ist die Debatte um umweltgerechtes Leben eine Verzichtsdiskussion?
Jein. Meines Erachtens geht es eher um einen Lebensstil, der nicht nur uns Menschen, sondern auch den Ökosystemen und dem Klima auf der Erde zuträglich ist. Ein solcher Lebensstil kann mehr Lebensqualität für alle bringen.
Dazu gehört es auch zu überlegen, wie wir auf Billigfleisch von gestressten Tieren, pestizidbelastete Lebensmittel, Fast Fashion und eigentlich unnötige Flug- und Dienstreisen verzichten können.
Aktuell schaden wir mit unserer Mobilität, Ernährung und unserem Konsum der Umwelt und auch anderen Menschen, obwohl wir das gar nicht wollen. Das wird uns immer bewusster.
Was braucht es, damit wir unser Verhalten unserem Denken anpassen können?
Wir brauchen Angebote, die es einem leicht machen, sein Verhalten zu ändern: attraktive, nachhaltige Alternativen, die einfach umsetzbar sind. Wenn Preise für Waren und Dienstleistungen die sozio-ökologischen Kosten widerspiegeln würden, wären nachhaltige Alternativen auch günstiger. Nachhaltigkeit muss attraktiver Standard werden. Und zwar für alle.
Nachhaltiges Leben braucht die Entscheidung jedes und jeder Einzelnen – zu Hause, im Verein, im Beruf. Gleichzeitig brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Dialog, um gemeinsam auszuhandeln, wie wir leben wollen. Denn es geht um Gerechtigkeit, einen respektvollen und achtsamen Umgang mit sich selbst und miteinander. Und um Wandel zu gestalten, braucht es politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die für alle verbindlich gelten.
Das Gespräch führte Alice Henkes.