Ferienzeit ist Vielfliegerzeit. Und damit auch die Zeit vieler flugbedingter CO2-Emissionen. CO2 heizt das Klima an. Führt zu Extremwetter, steigenden Meeresspiegeln, Artenschwund.
So in etwa wissen das selbst jene, die regelmässig ins Flugzeug steigen. Konsequenzen hat das Wissen aber meist nicht, wie eine Umfrage im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) zeigt. Nur ein Viertel der befragten Reisenden hat in den letzten zwei Jahren aus ökologischen Gründen auf einen Flug verzichtet.
Akademiker fliegen mehr
Die Mehrheit fliegt dagegen eher mehr als weniger. Die Flugbranche boomt und bricht jedes Jahr neue Rekorde. Beispiel Schweiz: 2016 registrierten die Flughäfen zwei Drittel mehr Passagiere als noch vor zehn Jahren.
Laut SES steigen Akademiker fast doppelt so häufig in den Flieger als weniger gebildete Schweizer. Hauptsächlich fürs private Vergnügen.
Die Umweltökonomin Renate Schubert sucht an der ETH Zürich nach Möglichkeiten, sie klimaschädliche Wirkung der Vielfliegerei einzudämmen.
Für sie ist die einzige wirkliche Option der Verzicht. Denn: «Fliegen ist fürs Klima mit das Schädlichste, was wir tun können. Wir haben keine CO2-freie Alternative zu Flugtreibstoff, und wir können auch kein gewichtsloses Flugzeug losschicken.»
«Das reicht bei Weitem nicht»
Nur: Wie bringt man die Menschen dazu, weniger zu fliegen? Für Schubert ist der eine Hebel das Wissen. Das genaue Ausmass der CO2-Emissionen sei vielen noch nicht bewusst. Sie denken, die Emissionen seien kompensierbar, indem sie seltener Fleisch essen oder mal aufs Velo statt ins Auto steigen.
«Das reicht aber bei Weitem nicht», so Schubert. Die Stiftung myclimate, die weltweit viele Klimaschutzprojekte unterstützt, rechnet vor: Ein umweltbewusster Vegetarier, der nur mit dem Fahrrad fährt, verursacht 3,3 Tonnen CO2 pro Jahr. Mit nur einem Kurz- und einem Langstreckenflug erhöht sich sein Fussabdruck auf satte 8 Tonnen.
Weltweit machen die Flugemissionen zwar nur knapp 5 Prozent der CO2-Emissionen aus. In einer westlichen Vielfliegernation wie der Schweiz sind es aber bereits 18 Prozent. Tendenz steigend.
Fliegen ist viel zu billig
Der zweite Hebel im Kampf gegen das häufige Fliegen ist laut Schubert der Preis. Für 40 Franken nach Mallorca, für 50 nach London: Spottpreise wie diese gibt es unter anderem, weil auf Flugtickets keine Mehrwertsteuer erhoben wird – und weil es im Unterschied zur Benzin- oder Dieselsteuer in kaum einem Land eine Kerosinsteuer gibt.
Ursprünglich als Anschubfinanzierung für die zivile Luftfahrt gedacht, wurde diese indirekten Subventionierung nicht wieder rückgängig gemacht. Eine Änderung ist nicht in Sicht.
Was bringt die CO2-Abgabe?
Einige Länder wie Deutschland oder Frankreich erheben seit Kurzem immerhin eine CO2-Abgabe. Pro Passagier und Flug bedeutet das einen Preiszuschlag von ungefähr zehn Franken auf Kurzstrecken.
Thomas Jäger, CEO des Luftfahrtinfoportals CH-Aviation, erwartet vor allem beim billigen Ferienverkehr einen spürbaren Effekt: «Es macht einen relativ grossen Unterschied, ob eine Luftverkehrsabgabe den Flug 20 bis 25 Prozent teurer macht. Man leistet sich das dann nur noch vier Mal im Jahr – anstatt fünf Mal.»
Zug fahren!
Davon ermutigt, protestierten im Frühjahr mehrere Umweltorganisationen in Bern. Sie fordern von den Politikern, dass Flugreisen teurer werden. Ausserdem fordern sie attraktive Alternativen: Nachtzug statt Billigflug. Gerade weil die Flugziele der Schweizer vornehmlich in Europa liegen. Die Realität sieht derzeit aber anders aus: Immer mehr Nachtzuglinien werden gestrichen.
Auf alternative Urlaubsziele setzt dagegen das Ökozentrum Langenbruck. Mit seinem Wettbewerb Join the journey wollte es in diesem Sommer jungen Erwachsenen Ferien ohne Flugzeug und Auto schmackhaft machen. Ein Ansturm blieb jedoch aus.
Sechs Gruppen starten jetzt mit 800 Franken Reisespesen im Gepäck, etwa mit dem Tandem nach Hamburg. Als Gegenleistung bloggen sie. Das soll auch andere motivieren, umzudenken: Genf statt Barcelona, See statt Palmenstrand.
«Es müssen ganz viele Länder an einem Strick ziehen»
Doch dass der Mensch freiwillig aufs Fliegen verzichten, bezweifelt Umweltökonomin Schubert. Höhere Ticketpreise hält sie für effektiver. Optimistisch ist sie aber nicht. Der politische Wille, das Fliegen zu verteuern, sei nicht gross genug.
Und: «Dass das ein Land allein macht, reicht nicht. Es müssen ganz viele Länder an einem Strick ziehen. Bei den Klimaverhandlungen sehen wir aber immer wieder, wie schwierig das ist.»
Keine guten Aussichten für den Klimaschutz. Der internationale Dachverband der Fluggesellschaften schätzt, dass in 20 Jahren doppelt so viele Passagiere fliegen wie heute. Das Potenzial ist de facto noch riesig. Die Mehrheit der Menschen weltweit hat nämlich noch nie ein Flugzeug bestiegen.