Die Zeit drängt. Allein mit dem Einsparen von CO2 ist der Klimawandel kaum mehr aufzuhalten. Deshalb arbeiten Forscher an Methoden, um das Klima aktiv zu manipulieren.
Sie wollen die Erde kühlen. David Keith von der Harvard-Universität ist so einer. Er ist einer der umstrittensten Klimaforscher. Denn seine Methode ist radikal.
Ein Sonnenschirm für die Erde
Keith hält es für denkbar, quasi als letzter Notnagel, der Erde eine Art Sonnenschirm zu verpassen. Solar Geoengineering nennt sich das. Dazu müssten Flugzeuge bis in die Stratosphäre fliegen und in über zehn Kilometern Höhe Schwefelteilchen oder Kalziumkarbonat verteilen.
Daraus bilden sich Staubpartikel, die das Sonnenlicht zurück ins All reflektieren und so die Erderwärmung bremsen. Dass Staub die globale Temperatur beeinflusst, haben Vulkanausbrüche wie der des philippinischen Pinatubo im Jahr 1991 gezeigt. Damals wurde es weltweit um bis zu 0,5 Grad Celsius kälter, berichtet das International Journal of Climatology.
David Keith sagt es selbst: Die Erde zu kühlen sei eine verrückte Idee – und kein Ersatz dafür, die CO2-Emissionen zu drosseln. Wir könnten Geoengineering aber nutzen, um die Erde langsamer aufheizen zu lassen oder die Erwärmung sogar aufzuhalten, so der Wissenschaftler.
Keith und seine Kollegen haben ausgerechnet, dass Solar Geoengineering die globale Erwärmung um die Hälfte reduzieren könnte und publizierten dies im März 2019. «Aber», räumt Keith ein, «vielleicht sind die Modellrechnungen falsch».
Im Labor getestet – der Praxistest steht bevor
Im Rahmen des «Stratospheric Controlled Perturbation Experiment» SCoPEx, soll die Methode erstmals das Labor verlassen und den Praxistest bestehen – allerdings in sehr kleinem Rahmen. Geht es nach den Harvard-Forschern, wird ein Wetterballon in einer Höhe von etwa 20 Kilometern eine kleine Wolke von Partikeln ablassen und anschliessend Messungen machen.
Das Experiment soll zunächst zeigen, wie sich die Teilchen in der Luft verteilen. Das Klima bliebe davon vorerst unbehelligt.
Doch Umweltaktivisten befürchten, dass solares Geoengineering im grossen Stil Wetter- und Niederschlagsmuster verändern und die Chemie der Stratosphäre ruinieren würde. Einige Studien zeigen, dass manche Erdregionen von diesen Risiken stärker betroffen wären als andere.
Ein Experiment für den Planeten Erde
«Das bedeutet, ein Experiment mit dem gesamten Planeten zu machen», sagt Dru Oja Jay von der Nichtregierungsorganisation ETC Group, «wir haben aber nur einen Planeten.»
Der kanadische Umweltaktivist hält es bereits für gefährlich, die Technik nur zu erforschen. Denn solares Geoengineering wäre relativ günstig und einfach umzusetzen. Was sollte also ein Land davon abhalten, auf eigene Faust einen Sonnenschirm aufzuspannen, ohne Absprachen mit anderen Nationen?
Je mehr solares Geoengineering erforscht wird, desto eher könnten erdölreiche Nationen oder Ölkonzerne die Technik als Ausrede missbrauchen, so Jay. Wenn wir bequem am Thermostaten der Erde drehen können, wozu dann noch die Emissionen verringern?
Trotzdem glaubt David Keith von der Harvard Universität, dass die Methode ein letzter Rettungsanker sein könnte. «Natürlich hat Geoengineering Risiken – aber es nicht zu tun auch».