Die Sturmwellen sind mancherorts bereits höher geworden. Der Meeresspiegel steigt mehr als doppelt so schnell an als vor einigen Jahrzehnten. Und in der Arktis steigen die Temperaturen rasant.
Noch nie beobachtete Extremwerte
Diese Beschleunigung hat viele Forscher überrascht – auch Konrad Steffen, Direktor der eidgenössischen Forschungsanstalt WSL. Er ist Mitautor des neuen IPCC-Berichts und Spezialist für Grönland.
Steffen hat auch dieses Jahr dort geforscht: «Wenn wir im Mai dort arbeiten, sind die Temperaturen gewöhnlich bei minus 20 Grad. Nun hatten wir plus 5 Grad am 1. Mai. Das sind Extremwerte, die wir noch nie gesehen haben. Und sie häufen sich jedes Jahr.»
Das Eis schmilzt schneller
Die gravierenden Folgen zeigen sich an immer mehr Orten und in immer neuen Phänomenen: In Grönland und der Westantarktis beginnen die riesigen Eisschilde plötzlich schneller zu schmelzen. Das steckt hinter dem beobachteten schnelleren Anstieg des Meeres.
Aber das ist erst der Anfang, sagt Konrad Steffen: «Dort hat es so viel gebundenes Wasser. Die Meeresspiegelvorhersage bis 2100 steht heute zwischen 40 und 80 Zentimeter.»
Anstieg bis zu 6 Metern erwartet
Das ist etwas mehr, als der IPCC im letzten Bericht vorhergesagt hatte – und es ist nur eine Momentaufnahme.
Zum ersten Mal hat der Weltklimarat seine Prognosen über 2100 hinaus bis ins Jahr 2300 ausgedehnt. Dies, weil die Forscher nicht mehr ausschliessen, dass die Schmelzprozesse in der Westantarktis nicht mehr aufzuhalten sind und das ganze Eis dort ganz verschwinden könnte.
Für die Prognose für 2300 heisst das: «Nach dem Szenario, wenn wir nicht sehr viel CO2 reduzieren, sollten wir zwischen vier und sechs Meter Meeresspiegel mehr erwarten. Es sind natürlich noch einige Generationen vor uns, aber das sind erschreckende Zahlen.»
Milliarden-Investitionen sind nötig
Der Weltklimarat sagt auch voraus, dass extreme Wetterereignisse noch deutlich häufiger werden – und zwar recht bald: Schon in 30 Jahren könnten zum Beispiel Sturmfluten, die bisher alle 100 Jahre auftraten, jedes Jahr vorkommen.
Dies könnte manche kleine Inselstaaten, die oft kaum Geld haben, um sich durch Dämme zu schützen, faktisch unbewohnbar machen, sagt Konrad Steffen: «Man müsste schon heute Lösungen suchen, wo diese Leute hingehen. Man will ja nicht überrascht werden. Ein Extrem-Event kommt ja meistens unangemeldet.»
Zwei Drittel der grössten Städte auf der Welt liegen an Meeresküsten. Wollen sie weiter bestehen, müssen sie Dutzende bis Hunderte von Milliarden Franken investieren, um sich zu schützen, warnt der Bericht des IPCC.
Verhängnisvolle Kettenreaktion
So drastisch dies alles klingt, es könnte noch schlimmer kommen. Denn die künftigen klimatischen Umwälzungen in der Arktis könnten eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang setzen: Der Permafrostboden taut dort immer mehr.
Dabei könnten laut dem schlimmsten Szenario im Bericht viele Milliarden Tonnen CO2 und Methan freigesetzt werden, sagt Konrad Steffen: «Das ist eine der tickenden Zeitbomben, wenn der Permafrost weiter zurückgeht. Das würde das Klima weiter anheizen.»
Diese und andere der schlimmsten Auswirkungen können wir noch vermeiden, wenn alle Länder nun sehr schnell damit beginnen, ihren CO2-Ausstoss drastisch zu drosseln. Doch danach sieht es auch nach dem Uno-Sondergipfel zum Klima am Montag nicht aus.
Sendung: Radio SRF, Nachrichten, 25.9.2019, 11 Uhr.