«Viele Elefanten werden missbraucht und gequält», berichtet Elefantenführer Kyaw Win Naing. Zum Beispiel würden die Tiere mit Bambusstöcken geschlagen, damit sie mit letzter Kraft schwere Stämme durch steiles, glitschiges Gelände schleppen.
Kyaw Win Naing ist 41 Jahre alt. Mehr als drei Jahrzehnte lang arbeitete er in staatlichen Holzfällercamps als Mahut – als Oozie, wie Elefantenführer in Burma heissen.
Vorstoss gegen Entwaldung
Weil die neue burmesische Regierung in einigen Gebieten ein zehn Jahre dauerndes Holzschlag-Moratorium verhängte, verloren Kyaw Win Naing und sein Elefant den Job im Holzfällercamp.
Burma verzeichnet eine der weltweit grössten Entwaldungsraten. Sämtliche Wälder gehören dem Staat. Das alleinige Nutzungsrecht hat die regierungseigene Holzgesellschaft Myanmar Timber Enterprise (MTE).
Arbeitselefanten in Camps, Zoo und Zirkus
Neue Arbeit fanden Kyaw Win Naing und sein Elefant im Elefanten-Touristencamp Green Hill Valley im Süden des Shan-Staates. Das Camp bietet Gästen aus aller Welt hautnahen Kontakt mit dem Elephas maximus, dem asiatischen Elefanten.
Mit etwa 5800 Tieren leben in Burma weltweit die meisten Elefanten in Gefangenschaft. Dem Staat gehörten Anfang 2018 insgesamt 3017 Arbeitselefanten, in privatem Besitz waren 2460. Zu den Arbeitselefanten kommen jene in Zoo und Zirkus. Im Norden des Landes arbeiten Elefanten auch als Zugtiere in der Landwirtschaft.
2000 Elefanten ohne Job
Experten schätzen, dass wegen des Holzschlagmoratoriums etwa 2000 Arbeitselefanten ohne Job sind. Die Mahuts und ihre Familien haben ihr Einkommen verloren.
Der Staat helfe ihnen nicht, der politische Wille fehle, sagt die prominente burmesische Elefantenforscherin Khyne U Mar.
Neue Jobs in Touristencamps
Eine Lösung: Arbeitslose Elefanten – private und staatliche – werden für viel Geld an Touristencamps vermietet. Neben privaten Elefanten beherbergt auch Green Hill Valley staatliche Elefanten. Einer kostet das Camp über viertausend Dollar Monatsmiete.
Wegen der Arbeitslosensituation schiessen Touristen-Elefantencamps wie Pilze aus dem Boden. Allein die MTE, die staatliche Holzgesellschaft, betreibt derzeit 19 Camps und will weitere im ganzen Land etablieren. In diesen wird auch Elefantenreiten angeboten, so wie in den meisten Touristencamps.
Elefantenschutz als Programmpunkt
Im Green Hill Valley kann man für hundert Dollar einen Tag lang mit acht Elefanten verbringen, ihre Lebensgeschichten sowie Hintergründe zum Elefantenschutz erfahren.
Im Jahr 2017 waren 3000 Gäste aus aller Welt im Green Hill Valley, vor allem aus Europa und den USA. Die Tiere sind zwischen 10 und 67 Jahre alt, es sind meist pensionierte oder gesundheitlich angeschlagene Arbeitselefanten.
Reiten verboten
Aufgebaut hat das Camp der ehemalige Fremdenführer Htun Htun Wynn zusammen mit seiner Frau Maw. «Wir möchten unsere Gäste für den Elefantenschutz sensibilisieren», sagt Htun Htun Wynn.
Die Besucher haben engen Kontakt mit den Tieren. Sie dürfen die Tiere füttern und waschen. In einem Workshop können die Touristen aus Elefanten-Dung Papier herstellen.
Reiten ist im Green Hill Valley jedoch tabu. «Aus Respekt vor den Tieren», sagt Manager Htun Htun Wynn. «Zumal die meisten unserer Elefanten alt sind.»
Ein Vorbild, aber nicht die Realität
Elefantenexpertin und Veterinärin Khyne U Mar sagt, dass zum Schutz der Elefanten beim Reiten auf die Belastung geachtet werden müsse: «Der Elefant ist ein sehr grosses Tier. Wenn nur zwei Leute auf seinem Rücken sitzen, hat er kaum ein Problem.»
Allerdings müsse der Sattel gut gepolstert sein und perfekt sitzen, «sonst wird er zur Tortur und es schadet der Wirbelsäule und den Gelenken des Tieres».
Das Green Hill-Valley-Elefantencamp gilt in Sachen Tierwohl als vorbildlich. Die Dickhäuter sind in der Regel nicht angekettet und ab Mitte Nachmittag bis zum nächsten Morgen dürfen sie frei im nahen Wald herumstreifen und das Futter selber suchen. So, wie sie es einst als Arbeitselefanten in den Holzfällercamps taten. Ein Tierarzt sorgt für die medizinische Betreuung.
Verstörende Umgebung
Die Realität in den meisten Touristencamps sieht jedoch völlig anders aus. In Chaungtha etwa, am Golf von Bengalen, bietet ein Beach Resort Elefantenritte am Meeresstrand an: im heissen Sand unter brennender Sonne.
Die Elefantenforscherin Khyne U Mar sagt, diese Tiere seien es gewohnt, im Wald zu arbeiten, ohne Touristen- und Verkehrslärm. Ehemalige Arbeitselefanten könnten deshalb in Panik geraten und traumatisiert werden. Es drohten Unfälle.
Besonders viele private Elefantenbesitzer gibt es in Taungoo in der Region Pegu Yoma. Es ist jenes Gebiet, das am stärksten vom zehnjährigen Holzschlagmoratorium betroffen ist.
Elefanten für Reiche
Um die 100 Elefantenhalter mit zusammen etwa 150 Tieren leben hier. Saw Doe Soe ist Sekretär der Vereinigung privater Elefantenbesitzer von Taungoo. Das Moratorium habe schlimme Folgen, sagt er: «Etwa 70 Prozent der privaten Elefanten in Burma sind deswegen arbeitslos.» Der Unterhalt eines Tieres koste monatlich etwa 400 Dollar: für das Mahut-Salär, das Futter, die medizinische Betreuung.
Nur wohlhabende Menschen können sich einen Elefanten leisten in dem Land, in dem der Durchschnittslohn 60 Dollar im Monat beträgt.
Illegaler Elefantenhandel
«Der Staat sollte uns kostenlos Land zur Futterproduktion zur Verfügung stellen», sagt Doe Soe von der Vereinigung privater Elefantenbesitzer. «Das würde die Unterhaltskosten senken.» Zudem könnte man Elefanten an Zirkusunternehmen oder für religiöse Zeremonien vermieten.
Eine Idee, die Tierärztin Khyne U Mar entsetzt. «Was Elefanten im Zirkus tun müssen, schadet ihnen und ist gegen ihre Natur», sagt sie. «Sitzen etwa oder auf einem Bein stehen, das schädigt die Muskulatur, die Nerven, die Knochen.»
Eine weitere Gefahr, die arbeitslosen Elefanten droht, ist der illegale Handel mit den Tieren. Im Nachbarland Thailand gibt es über 200 Elefanten-Tourismuscamps, dort herrscht grosser Bedarf. In der Vergangenheit sind aus Burma mehrere Hundert Elefanten über die Grenze nach Thailand geschmuggelt worden.
Reservate für Arbeitslose
Da es unmöglich ist, alle rund 2000 arbeitslosen Elefanten in Touristencamps zu beschäftigen, gibt es vermutlich nur eine Lösung: Schutzgebiete schaffen, in denen die Tiere ein möglichst freies und artgerechtes Leben führen können.
Das erste Projekt will der Staat nun mit finanzieller Hilfe der Tierschutzorganisation «Vier Pfoten» verwirklichen. Burma stellt dafür ein 17’000 Hektar grosses Gebiet zur Verfügung. Dort sollen vor allem alte, kranke und trächtige Elefanten eine Heimat finden.
Zum geplanten Angebot gehört eine Elefanten-Klinik. Das Ganze soll als Touristen-Destination funktionieren. Allerdings ohne Elefantenreiten und ohne Berührungskontakt.
«Vier Pfoten» finanziert den Bau und den Unterhalt. Ziel des Projektes sei es, so deren Pressesprecher, geeignete Elefanten in umliegende Wälder auszuwildern, um ihnen die Freiheit zurückzugeben.
Abhängig vom Menschen
Ob es gelingen wird, ist allerdings fraglich. Zaw Min Oo, der Chefveterinär der staatlichen Holzgesellschaft MTE sagt: «Man kann Arbeitselefanten, die ein Leben lang mit Menschen zusammen waren, nicht einfach auswildern. Sie sind zu sehr abhängig.»
Das geplante Reservat kann nur einen kleinen Teil der arbeitslosen Elefanten beherbergen. Für den überwiegenden Rest gibt es noch keine Lösung.