Libellen gehören zu den besten Fliegern überhaupt: Ihre vier Flügel können sie unabhängig voneinander ansteuern. Sie können schweben, schnell fliegen, abtauchen, rückwärts fliegen und grosse Distanzen überwinden.
Geborene Jäger
Das Jagen haben die Tiere im Blut. Als Larven schon jagen sie unter Wasser. Für den Sprung ins Erwachsenendasein brauchen Libellen nur ein paar Stunden. Die Larven klettern an einem Halm aus dem Wasser, schlüpfen aus ihrer Larvenhaut, härten aus und fliegen los. Von Beginn an sind sie gute fliegende Jäger.
Das Gehirn spielt für alle Leistungen der Libelle eine zentrale Rolle. Es nimmt nicht nur wahr und verarbeitet präzis und schnell, es sieht auch voraus, wohin sich die Beute am ehesten bewegen wird.
Lange hat man Insekten nur zugetraut, dass sie zwar schnell, aber doch reflexhaft auf ihre Umwelt reagieren. Etwa wie eine gut programmierte Rakete, die auf Bewegungen ihres Ziels reagieren kann.
Davon war auch Anthony Leonardo überzeugt, Insektenhirnforscher am Janelia Research Campus, einer Forschungseinrichtung im US-Bundesstaat Virginia. Dann schaute er genauer hin.
Präzise Bewegungen
Er baute in seinem Labor eine Jagdarena für die Libellen, liess Fruchtfliegen fliegen und zeichnete mit Hochgeschwindigkeitskameras und einem Motion Capture System jede kleine Bewegung bei der jagenden Libelle auf, und wertete sie aus.
Die Überraschung war perfekt: Viel von dem, was die Libelle tat, liess sich nicht als Reaktion auf die Beute erklären. Die Libelle traf Vorhersagen und stellte sich auf Bewegungen ein, die die Beute erst noch machen würde. Damit können Libellen etwas, was man bis dahin nur Menschen, Affen oder Mäusen zugetraut hatte.
Uraltes Erfolgsmodell
Schon vor 300 Millionen Jahren gab es Libellen – mit bis zu 70 Zentimeter Flügelspannweite. Warum es diese Riesen heute nicht mehr gibt, ist ein Rätsel.
Lange habe man gedacht, es läge am Sauerstoffgehalt, der in der Karbonzeit viel höher war als heute, sagt André Nel, Experte für fossile Libellen am Musée national d’histoire naturelle in Paris.
Für grosse Insekten war der Sauerstoffgehalt vielleicht ein Vorteil. Doch es gab die Riesen auch Millionen Jahre später noch, in der Permzeit, als der Sauerstoffgehalt schon viel niedriger war.
Andere Möglichkeit: Die Riesenlibellen – Meganeura genannt – bekamen mächtige Konkurrenz. Gerade als sie verschwanden, tauchten die ersten Saurier auf, die durch die Luft segeln konnten.
Wahrscheinlich machten diese Saurier den grossen Libellen ihren Lebensraum und ihre Beute streitig. Ob das wirklich so war? Es klingt plausibel, aber bewiesen hat es noch keiner.
Grazil, wunderschön und nützlich
Weltweit gibt es heute rund 5000 Libellenarten. In der Schweiz sind heute gut 80 Arten heimisch. Viele sind noch relativ häufig, wie die Mosaikjungfern, Hufeisenazurjungfern oder die Pechlibelle. Sie ernähren sich von anderen Fluginsekten. Libellen vertilgen pro Tag leicht das mehrfache ihres eigenen Körpergewichts.
Jetzt im Hochsommer kann man sie an jedem Teich beobachten, wenn die Witterung warm und sonnig ist. Einige Wochen lang fliegen, jagen und paaren sich die erwachsenen Tiere. Danach existieren sie wieder nur als Larven im Wasser, für uns kaum sichtbar.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 23.1.2018, 9.00 Uhr.