Aus der Luft betrachtet sieht sie aus wie ein grünes Schachbrett: die rund 3000 Quadratmeter grosse Forschungswiese von Münchenbuchsee im Norden von Bern. 2015 haben hier die Ökologinnen und Ökologen des Instituts für Pflanzenwissenschaften der Berner Universität einen grossen Experimentierbaukasten angelegt.
Was die Wiesen vom Dünger halten
Die Idee dazu hatte Teamleiter Eric Allan. Er will mit dem Langzeitexperiment herausfinden, welche Effekte Stickstoff-Dünger, egal ob künstlich hergestellt oder aus Mist und Gülle, auf die gesamte Funktionsweise von Wiesen hat.
Bisher ist nur bekannt, dass zu viel Stickstoff die Artenvielfalt eines Ökosystems dramatisch reduziert. Mehr Forschung ist aber dringend notwendig, denn es gibt offenbar weitere negative Effekte.
336 kleine Experimentierwiesen
Für ihre Experimente und Beobachtungen haben die Forschenden jede einzelne ihrer 336 Wiesen-Parzellen unterschiedlich präpariert.
Keine gleicht der anderen. Mal ist es eine schnell wachsende Monokultur, mal stehen bis zu 20 Arten auf einer Parzelle.
Fast die Hälfte wurde mit Fungiziden behandelt. Schliesslich gibt es Parzellen mit wenig oder viel Stickstoff-Dünger – in ähnlichen Mengen wie in der Landwirtschaft.
Bis in den kleinsten Winkel
Sobald im Frühjahr das erste Grün erscheint, geht das Gewusel auf der Wiese los und hält an bis im August. Dann wird die Wiese zum zweiten und damit letzten Mal im Jahr gemäht.
Dabei schauen die Expertinnen und Experten in nahezu jeden Winkel ihrer Wiese. Sie zählen Insekten- und Spinnenarten, sammeln Pflanzenproben und entnehmen kleine Bohrkerne aus dem Erdboden, um im Labor per Genanalyse die Vielfalt des mikroskopisch kleinen Bodenlebens zu ermitteln.
Dünger ist schädlich und nicht nachhaltig
Die Experimente und Analysen zeigen, dass die ökologischen Effekte, die dem Artenverlust auf einer zu stark gedüngten Wiese nachfolgen, dramatisch sind.
Schnell wachsende Pflanzenarten verdrängen ihre langsam wachsende Konkurrenz und dünnen die Pflanzengemeinschaft einer Wiese aus.
Solches Grünland wirft zwar viel Masse für Heu ab. Doch das Forschungsteam hat nachgewiesen, dass sich diese Pflanzen ebenso schnell wieder zersetzen. Dadurch fallen sie als Langzeitspeicher für Stickstoff oder Kohlenstoff aus CO2 aus.
Mehr Dünger, mehr Interventionen nötig
Zudem gibt es Hinweise, dass derart veränderte Pflanzengesellschaften anfälliger sind für Pilzkrankheiten. Greifen diese von der Wiese auf einen Acker über, machen sie dort den Einsatz von Fungiziden notwendig.
Schliesslich scheinen überdüngte und artenarme Wiesen für bestäubende Insekten weniger attraktiv zu sein, sodass Stickstoff damit womöglich indirekt zur weltweit beobachteten Insekten-Krise beiträgt.
Neue Ideen für die Landwirtschaft der Zukunft
Das Forschungsteam um Eric Allan will mit seinen Studien aber nicht nur warnen und mahnen. Es sucht und bietet bereits Ideen, die für eine ökologisch verträglich und dennoch wirtschaftlich profitable Landwirtschaft der Zukunft wichtig sein könnten.
So zeigt die Analyse der artenreichen Parzellen, dass diese viel weniger mit Pilzkrankheiten und anderen Schädlingen kämpfen. Zudem liefern sie fast ebenso viel Heu wie gedüngtes Grünland.
Gute Gründe also auch für Landwirte, mehr zu tun, als am Rande des Feldes ein gut gemeinter Blühstreifen für die Insekten zu pflanzen.