Auen findet man dort, wo’s feucht ist, an Seen und Flüssen. Diese Naturlandschaften werden regelmässig überflutet, was dazu führt, dass sie sich laufend verändern und höchst abwechslungsreich sind. Sie umfassen Trockenwiesen, aber auch Sumpfland, undurchdringlichen Wald, oder offen da liegende Kiesbänke. Leider sind diese Naturparadiese bedroht.
Radikale Schrumpfkur
In der Schweiz kennen wir sie heute fast nur noch dem Namen nach, buchstäblich: Willisau, Herisau, Thurgau – viele Gemeinden und Kantone enden auf «-au». Doch in der Natur sind Auen rar geworden. «Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind in der Schweiz rund 90 Prozent der Flussauen verschwunden», schätzt Michael Casanova, Gewässerschutzexperte bei Pro Natura. Der Grund für diesen Rückgang: Immer mehr Flüsse wurden in den letzten zwei Jahrhunderten kanalisiert, und man brauchte Land für die landwirtschaftliche Nutzung und für Überbauungen.
40 Prozent der Arten im einheimischen «Regenwald»
«Auen gelten als die Regenwälder Mitteleuropas», sagt der Biologe Michael Casanova. Sie sind nicht nur feucht wie Regenwälder, sondern ebenso artenreich. Rund 40 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten der Schweiz leben hier, darunter sind viele geschützte Arten wie der Eisvogel, Flussregenpfeifer oder Pirol, Laubfrösche, Schillerfalter und andere Schmetterlinge, grössere Tiere wie der Biber oder bei den Pflanzen der seltene kleine Rohrkolben.
Auen sind also Hotspots der Biodiversität, zentral für den Naturschutz. Zugleich dienen sie den Menschen als Erholungslandschaft und bieten einen wichtigen Schutz vor Hochwasser, weil sie sehr schnell viel Wasser aufnehmen können.
Nach den Vorgaben des Bundes sind die Kantone daher angehalten, ihre Gewässer wieder naturnäher zu gestalten. Kanäle sollen wieder vermehrt naturnahe Ufer und Bachbette erhalten, Stauwehre und ähnliche Flussverbauungen müssen durchlässig werden für Wassertiere. «Im Rahmen dieser Revitalisierungsplanung wird vielleicht auch die eine oder andere verschwundene Au neu zum Leben erweckt», hoffen Gewässerschutzexperten wie Casanova.
Aktiver Auenschutz im Aargau
Es bleibt bei der Hoffnung, denn verbindlich ist die Auen-Revitalisierung nicht. Zumindest nicht auf Bundesebene. Anders sieht es aus im Kanton Aargau. Der Aargau gehört nebst dem Engadin, dem Wallis und manchen siedlungsfernen Bergregionen zu den wenigen Orten mit grösseren intakten Auenlandschaften in der Schweiz.
Den Auenschutz vorangetrieben hat hier vor 20 Jahren eine kantonale Volksinitiative, welche verlangt, dass gut ein Prozent der Aargauer Kantonsfläche in Auenlandschaft zurückverwandelt werden muss, und zwar bis ins Jahr 2014. «Wir sind noch nicht ganz am Ziel», sagt gegenüber Schweizer Radio SRF Erik Olbrecht, beim Kanton Aargau für Auenschutz zuständig. Doch man sei nah dran. Tatsächlich hat der wasserreichste Schweizer Kanton bis heute 0,94 Prozent der Fläche zu hochwertigen Auen zurückverwandelt, also über 1300 Hektaren Land.
22 neue Fliessgewässer, 165 neue Stillgewässer
Für einen Kanton mitten im Siedlungsgebiet ist das eine Leistung. Musste doch das neue Naturland vielfach erst geschaffen werden. Den neuen Auenlandschaften mussten Strassen, Bauten, Stromleitungen und Fussballfelder weichen. Auen revitalisieren hiess und heisst daher auch: mit Grundeigentümern verhandeln, zuweilen gerichtlich streiten, Land kaufen. Und: Mit grossen Baumaschinen Asphalt aufreissen, neue Flussseitenarme ausbaggern, ganze Landstriche abtiefen, damit der Boden wieder feucht werden kann. Kurz: Es braucht enorm viel Aufwand, mehr als bei anderen Naturschutzmassnahmen.
Im Kanton Aargau hat der Aufwand der letzten 20 Jahre zu einer vernetzten Flusslandschaft geführt, mit 22 neuen Fliessgewässern, 165 neuen Stillgewässern, zahlreichen Kanal- und Uferrenaturierungen und einer insgesamt nachweislich steigenden Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten. Weitere gut 300 Hektar neue hochwertige Auen sind geplant.
Und anderswo?
Auch anderswo in der Schweiz sind mancherorts Auenschutzmassnahmen zu verzeichnen, so etwa an der Thurmündung im Kanton Zürich oder an diversen Standorten im Kanton Bern. Doch gesamtschweizerisch gesehen, so ist vom Auenschutzbeauftragten des Bundesamts für Umwelt, Stephan Lussi zu erfahren, seien die Bemühungen im Kanton Aargau in ihrem heutigen Umfang einzigartig. Beim Auenschutz macht dieser Kanton mit dem Wörtchen «Au» im Namen seinem Namen also alle Ehre.