Zusammengesunken sitzt Leuser in einer Ecke seines Käfigs. Manchmal steht das 12-jährige Orang-Utan-Männchen auf und hält sich mit seinen menschenähnlichen Händen an den Gittern fest. Leusers Augen sind trüb, er ist blind.
Schauplatz ist die Quarantänestation für Orang-Utans im Norden von Sumatra. Hier in Batu Mbelin werden einige von ihnen auf eine Zukunft im Regenwald vorbereitet. Derzeit leben um die 50 der rostrot behaarten Menschenaffen auf der Station. Hinter jedem von ihnen steckt eine traurige Geschichte, die meist mit Palmöl zu tun hat, denn mehr als zwei Drittel der Palmölplantagen in Indonesien stehen dort, wo einst Regenwald lebte. Der Sumatra-Orang-Utan gehört zu den am meisten gefährdeten Primaten der Erde.
Tödliche Nahrungsquelle
Die Palmölopfer in der Quarantänestation werden von der Tierärztin Yenni Saraswati betreut. Auch Leuser gehört zu ihren Schützlingen, doch ihn wird man nicht in einen intakten Wald aussetzen können, er wäre nicht überlebensfähig. «Wir fanden ihn mit fast 70 Luftgewehrkugeln im Körper. Auch seine Augen waren getroffen, so dass er lebenslänglich blind sein wird. Noch immer stecken 64 Kugeln, die sich nicht entfernen lassen», berichtet sie.
Leuser wurde einst illegal als Haustier gehalten, dann befreit und in einem geschützten Regenwald ausgewildert. Dort verirrte er sich in eine Palmölplantage, die viel zu nahe an den Wald gebaut worden war. Wenn Orang-Utans den Wald verlieren, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich ihre Nahrung auf Plantagen zu suchen. So kommt es häufig zu fatalen Begegnungen mit Plantagenbesitzern.
Brennende Orang-Utans
Die Palmölindustrie boomt wie nie zuvor. Um Land für die Palmen zu gewinnen, setzen sich skrupellose Unternehmen über Gesetze hinweg. 2012 sorgte der Fall des Tripa-Waldes auf Sumatra für internationale Schlagzeilen. Teile des kostbaren Torfsumpfwaldes – eines der letzten Paradiese für die Sumatra-Orang-Utans – wurden illegal vernichtet. Vermutlich mit Hilfe von korrupten Staatsbeamten. Bilder des brennenden Waldes und von verbrannten oder fliehenden Orang-Utans gingen um die Welt.
Tripa in der Provinz Aceh ist ein Musterbeispiel dafür, was die Palmölindustrie anrichten kann. Nicht nur Orang-Utans verlieren ihren Lebensraum – auch Menschen leiden. Weil der Torfsumpfwald ein Wasserreservoir ist, geht den Dörfern das Trinkwasser aus. Dazu brauchen Ölpalmen enorme Mengen an chemischen Pflanzenschutzmitteln und Dünger, welche die Böden vergiften und Menschen krank machen. Durch trocken gelegte Sümpfe sterben die Fische und der Bevölkerung wird die Existenzgrundlage geraubt.
Viele Kleinbauern sind gezwungen, ihr Land an Palmölfirmen abzugeben. So verlieren sie ihre Selbständigkeit, um nachher zu Hungerlöhnen auf den Plantagen der Konzerne zu arbeiten. Die Verbrennung des Torfwaldes setzt zudem gewaltige CO2-Mengen frei, die zur globalen Klimaerwärmung beitragen. Pflanzenarten werden ausgerottet, noch bevor sie entdeckt wurden.
Die Konsumenten sind gefragt
Palmöl steckt in unzähligen Produkten, die wir jeden Tag konsumieren. Zwei Drittel der derzeit 50 Millionen Tonnen Palmöl, die jährlich weltweit produziert werden, enden in unseren Nahrungsmitteln. Greenpeace und andere Umweltorganisationen raten, keine Produkte zu kaufen, die Palmöl enthalten.
Doch leider ist der Zusatz häufig gar nicht deklariert. Mirjam Kopp, die bei Greenpeace Schweiz das Palmöl-Dossier betreut, rät den Konsumenten: «Wird auf einem Produkt die Zutat 'Palmöl' oder 'Pflanzenöl' angegeben, sollte man im Laden, beim Geschäftsinhaber oder beim Hersteller nachfragen, woher das Öl stammt und ob garantiert werden könne, dass durch das Palmöl kein Regenwald zerstört worden ist.»