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Paläontologie von oben Drohnen enthüllen Schweizer Dinosaurierspuren aus der Luft

Drohnen erobern zurzeit die Herzen von Paläontologinnen und Paläontologen. Mit den kleinen Flugobjekten lassen sich Dinosaurierspuren viel einfacher finden und kartographieren als von Hand. Auch bei uns im Juragebirge.

Was früher Modellflieger waren, sind heute die Drohnen. Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer machen sich das Fliegen mit Fernsteuerung zum Hobby. Die kleinen Flugobjekte sind in den letzten Jahren immer günstiger geworden, ihre Bedienung immer einfacher. Auch die Qualität der eingebauten Kameras wird immer besser. So liefern die Drohnen spektakuläre Bilder von oben, sei es bei der Grillparty oder im Strandurlaub.

Wegen der fallenden Preise und der verbesserten Kameras hat der Boom bei den Drohnen auch die Wissenschaft erreicht. Hydrologen schätzen mittels Fotos aus der Luft das Risiko für Überflutungen neu ein. Forstwissenschaftlerinnen durchfliegen mit ihren Drohnen unzugängliche Wälder. Und auch in der Paläontologie ist die Drohne inzwischen ein wichtiges Hilfsmittel geworden. Sie liefert wertvolle Bilder von Dinosaurierfussspuren aus der Luft. Auch in der Schweiz.

Die Suche nach Dinosaurierspuren

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Neben der Suche nach Überresten von Knochen aus der Urzeit sind auch Dinosaurierspuren zentral in der Arbeit von Paläontologinnen und Paläontologen. Die Spuren geben Aufschluss darüber, wie die Tiere vor 150 Millionen Jahre gewandert sind, wo und wie sie gelebt haben. Und sie verraten den Forschenden, wie die Landschaft damals beschaffen war.

Vor 150 Millionen Jahren herrschten in der Nordwestschweiz tropische Bedingungen, die an die heutigen Bahamas-Inseln erinnern: Eine Lagunenlandschaft mit weiten Kalkschlammflächen.

Beim Waten über den Kalkschlamm haben die Dinosaurier Spuren hinterlassen. Diese wurden mit der Zeit von weiteren Gesteinsschichten überdeckt und dadurch geschützt. So überlebten die Spuren hunderte Millionen Jahre. Heute erscheinen sie in versteinerter Form als Löcher im Felsen.

Ein Knochenjob

Fussspuren von Dinosauriern zu finden ist sehr anspruchsvoll: Die vor 150 Millionen Jahren versteinerten Fussspuren sind bei der Faltung des Juragebirges zu Bergen und Hügeln geworden. Heute kommen sie oft in unwegsamem Gelände wieder zum Vorschein. Dies unter anderem in einem steilen Steinbruch in Lommiswil im Kanton Solothurn, am Rande des Juragebirges. Hier zeugen auf einer steilen Felsplatte hunderte kreis- und hufeisenförmige Fussabdrücke von der früheren Existenz der Riesenechsen in der Schweiz.

«Als wir die Spuren damals kartographiert haben, sind wir hochgekraxelt, runter gekraxelt und seitwärts gekraxelt», erinnert sich Christian Meyer an die Entdeckung der Spuren vor rund 40 Jahren. Er war Professor an der Universität Basel, heute ist er emeritiert.

Porträt eines älteren Mannes mit Brille vor weisser Wand.
Legende: Meyer amtete während 16 Jahren als Direktor des Naturhistorischen Museums Basel, bis 2017. Heute forscht Meyer weiterhin über das Leben in der Urzeit, in verschiedenen internationalen Projekten. ZVG

«Damals herrschten in diesem Steinbruch Temperaturen von bis zu 38 Grad .» Um die Spuren zu finden, auszumessen, und zu kartographieren, mussten die Forschenden umständlich am Seil angebunden arbeiten. Konstant waren sie der Steinschlaggefahr ausgesetzt. Auch ein Helikopter wurde als kostspieliges Hilfsmittel aus der Luft hinzugezogen.

Mit Drohnen zum 3D-Modell

Heute ersetzen vergleichsweise günstige Drohnen einen Teil der mühsamen Arbeit am Felsen. Im Steinbruch Lommiswil hat der 27-jährige Drohnenflugexperte Alain Fauquex Pionierarbeit geleistet. Ausgehend von seiner Erwachsenenmaturitätsarbeit hat er die gesamte Fundstelle aus der Luft und aus verschiedenen Winkeln fotografiert. Mittels einer Software baute er daraus ein 3D-Modell (siehe Box).

Vom 2D-Drohnenbild zum 3D-Modell

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Geologische Kartierung mit überlagerten blauen Rechtecken.
Legende: Das 3D-Modell einer Felsplatte in Lommiswil, basierend auf einzelnen Drohnenbildern (blaue Quadrate). Alain Fauquex

Wenn Forschende aus 2D Bildern ein 3D-Modell bauen, nennen sie das Photogrammetrie. Dabei fotografieren sie das Objekt aus verschiedenen Winkeln. Eine entsprechende Computersoftware setzt die Bilder dann so zusammen, dass daraus ein fotorealistisches 3D-Modell entsteht. Dieses enthält insbesondere wertvolle Informationen über die Dimensionen: So kann etwa ein unzugänglicher Dinosaurierfussabdruck bequem am Computer ausgemessen werden.

Die Photogrammetrie wird auch in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Architekten etwa modellieren damit Gebäude, Geologinnen erstellen so topografische Karten. Aber auch bei der Rekonstruierung von alten Gebäuden in der Archäologie, oder der Erstellung von 3D-Welten für Filme und Computerspiele, kommt Photogrammetrie zum Einsatz.

Mit der Drohne hat Fauquex rund 800 Fussabdrücke im Steinbruch kartographiert. Das sind etwa doppelt so viele, wie vorhin durch die manuelle Arbeit am Seil bekannt waren. Ausserdem entdeckte Fauquex dank des 3D-Modells zwei neue Fährtenwege der Saurier.

Noch ist die Charakterisierung der Spuren durch Drohnen nicht perfekt, sagt Alain Fauquex. Harsche Wetterbedingungen verunmöglichen manchmal die Flüge: «Bei starkem Wind ist es problematisch, nahe an den Felsen heranzufliegen. Ausserdem muss man die beschränkte Akkulaufzeit im Auge behalten». Letzteres stelle insbesondere bei starker Hitze ein Problem dar, ergänzt Christian Meyer.

Insgesamt aber überwiegen die Vorteile der kleinen Flugobjekte. So reist Christian Meyer bald wieder mit Drohnen im Gepäck zur Dinospurensuche nach Frankreich. Später auch in die chilenische Atacama-Wüste.

Wissenschaftsmagazin, 22.06.2024, 12:40 Uhr

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